Barbie und Minister passen auf
Nichtregierungsorganisation Iuridicum Remedium verleiht Negativpreis „Big Brother Awards“ an Chovanec und Mattel
24. 2. 2016 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: APZ
Was haben Innenminister Milan Chovanec und eine sprechende Barbiepuppe gemeinsam? Geht es nach der tschechischen Nichtregierungsorganisation Iuridicum Remedium (IuRe), gehören beide zu den größten Gefahren für persönliche Daten und Privatsphäre. In der vergangenen Woche erhielten Chovanec, der Spielzeughersteller Mattel, die tschechische Polizei und das Finanzministerium in Prag die Negativpreise „Big Brother Awards“. Über eine positive Ehrung konnte sich ein Anwalt aus Österreich freuen.
Bereits zum elften Mail verlieh IuRe die Anti-Auszeichnung, mit der sie auf Missstände im Bereich Datenschutz aufmerksam machen will. Die neunköpfige Jury aus Anwälten, Journalisten, Menschenrechts- und Technologieexperten wählte die Preisträger aus mehr als 50 Vorschlägen aus, die Bürger eingereicht hatten.
Als „amtlicher Überwacher“ wurde das tschechische Finanzministerium ausgezeichnet. Es hatte bereits im vergangenen Jahr einen Antipreis erhalten. Diesmal war es gleich mehrfach nominiert, unter anderem wegen der elektronischen Umsatzerfassung (siehe Seite 5). Den Preis erteilte die Jury der Behörde von Minister Andrej Babiš (ANO) jedoch wegen deren intransparentem Umgang mit Gesundheitsdaten. Einer bereits gebilligten Gesetzesänderung zufolge sind Krankenkassen verpflichtet, dem Finanzministerium Informationen aus ihren Datenbanken zu übergeben. Zudem wurde im vergangenen Jahr bekannt, dass das Ministerium bereits 2014 die Versicherungen aufgefordert hatte, Daten über Krankenhausaufenthalte von Millionen Patienten herauszugeben. Die Behörde hatte die Informationen an Privatunternehmen weitergeleitet, die daraus Analysen erstellten. Man müsse darauf aufmerksam machen, dass Anbieter im Gesundheitswesen aus den Daten auch Erkenntnisse über die Konkurrenz gewinnen könnten, urteilte die Jury. „Und man muss erneut auf den Interessenskonflikt des Finanzministers hinweisen, der zugleich Unternehmer im Gesundheitswesen ist.“
Der Titel „Big-Brother-Aussage des Jahres“ ging an Innenminister Milan Chovanec (Sozialdemokraten), der das Internet strenger überwachen will. In der Tageszeitung „Lidové noviny“ hatte er erklärt: „Wenn ich jetzt sagen würde, ich möchte, dass jeder Internetnutzer identifiziert werden kann, dann werden alle über mich herfallen. Aber meiner Meinung nach ist die Zeit gekommen, darüber zu diskutieren, wie wir uns in diese Richtung bewegen können.“ Man hätte die Aussage als überzogene Reaktion darauf verstehen können, dass die Polizei nicht verhindern konnte, dass Hacker E-Mails von Premierminister Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) veröffentlichten, so die Organisatoren des Antipreises. Sie weisen jedoch darauf hin, dass im vergangenen Jahr die Vorratsdatenspeicherung um elektronische Kommunikation erweitert wurde. Die Aussagen des Innenministers sind der Jury zufolge daher ernst zu nehmen und dienen als Indikator dafür, dass der Staat Internetnutzer künftig stärker überwachen will.
Was bei anderen Auszeichnungen der Preis für das Lebenswerk ist, das ist der Big Brother Award für Langzeitüberwachung, mit dem diesmal die tschechische Polizei bedacht wurde. Sie erhielt den Titel für die automatische Fahrzeugkontrolle, die sie der Jury zufolge mindestens seit 2001 an etwa 250 Orten in Prag sowie in den Kreisen Mährisch-Schlesien, Ústí nad Labem, Pilsen und Karlovy Vary durchführt. An den ausgewählten Stellen zeichnen Kameras alle vorbeifahrenden Fahrzeuge auf. In den Datenbanken werden Ort und Zeit ebenso gespeichert wie Fotos der Autos und Fahrer. „Umstritten ist schon allein die Frage, ob die Polizei berechtigt ist, solche Daten zu erfassen und bis zu ein Jahr zu speichern, ganz ohne klar bestimmten Zweck“, so der IuRe-Chef Jan Vobořil. Zudem gehe es dabei willkürlich zu. „Warum werden zum Beispiel in Prag die Fotos nur zwei Monate gespeichert, in Ústí nad Labem aber ein halbes Jahr?“ Das Vorgehen lasse ahnen, meint Vobořil, dass die Polizei sich keine Gedanken darüber mache, ob der Eingriff in die Privatsphäre angemessen sei.
In der Kategorie Unternehmen erhielt die zweifelhafte Auszeichnung der US-amerikanische Spielzeughersteller Mattel für seine Puppe namens „Hello Barbie“. Sie kann nicht nur gut zuhören, sondern auch passend antworten. Die Barbie nimmt auf, was Kinder zu ihr sagen; übers Internet werden die Daten an eine Zentrale übertragen und dort analysiert. Die Barbie wird zur Freundin, die sich merkt, was man ihr erzählt und passende Antworten gibt. Gleichzeitig überwacht sie die Kinder; zudem können die Spielenden leicht manipuliert werden, wenn die Daten in die Hände Dritter gelangen, warnen Datenschützer. Mattel hat deshalb bereits andere Antipreise für die Puppe erhalten.
Neben den Negativpreisen verlieh die Jury auch eine positive Auszeichnung. Sie ging an den österreichischen Anwalt und Aktivisten Max Schrems für seinen Einsatz zum Schutz der Privatsphäre. Er hatte sich mit dem Internetgiganten Facebook angelegt und der Jury zufolge entscheidend dazu beigetragen, dass das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen scheiterte, das den Austausch persönlicher Daten zwischen der EU und den USA regeln sollte. Dem Europäischen Gerichtshof zufolge hätte es nicht garantiert, dass die Daten von Europäern ausreichend geschützt werden, die Internetfirmen mit Sitz in den Vereinigen Staaten erheben.
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten