Bewährungsstrafen in der Causa Opencard
Das Prager Stadtgericht verurteilt die Ex-Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda und Tomáš Hudeček
14. 9. 2016 - Text: Stefan WelzelText: sw/čtk; Fotos: APZ
Die Geschichte der elektronischen Fahrkarte Opencard ist um ein spektakuläres Kapitel reicher. Am Donnerstag vergangener Woche hat das Prager Stadtgericht die ehemaligen Oberbürgermeister der Hauptstadt Bohuslav Svoboda (ODS) und Tomáš Hudeček (bis 2014 TOP 09) zu zweieinhalb beziehungsweise zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Insgesamt standen 15 frühere Stadträte und höhere Beamte unter anderem wegen des Verdachts auf Verstoß gegen Wettbewerbsregeln vor Gericht. Neben Svoboda und Hudeček wurden drei weitere Angeklagte zu Bewährungsstrafen verurteilt – darunter der ehemalige Chef der IT-Abteilung des Prager Magistrats Jan Teska. Die restlichen zehn wurden freigesprochen.
Während die Staatsanwaltschaft meint, dass die Strafen verhältnismäßig mild ausfielen, sehen sich die in erster Instanz Verurteilten als Opfer eines politisch motivierten Prozesses, der laut Hudeček „kafkaesk anmutet“. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, hat es politische Signalwirkung, wurden doch erstmals in dem Streit ehemalige Spitzenpolitiker zur Rechenschaft gezogen. Gleichzeitig bleibt der Hauptverantwortliche für die Opencard von einem Gerichtsverfahren verschont.
Im Fokus der Anklage stand die Verlängerung des Vertrags zwischen dem Prager Magistrat und dem ehemaligen Inhaber der Rechte an der Opencard, dem Unternehmen Haguess, im April 2012. Laut Richterspruch soll die Vereinbarung stark zuungunsten der Stadt Prag abgeschlossen worden sein. Fehlende Transparenz beim Vergabeverfahren – de facto fand gar keine öffentliche Ausschreibung statt – und eine mangelhafte Analyse bei der Risiko- und Kostenabwägung führten demnach zu einem finanziellen Schaden von mindestens 17,7 Millionen Kronen (rund 655.000 Euro). Die Verurteilten hätten es versäumt, die beste Lösung für die Stadt zu finden, hieß es in dem Schuldspruch.
Die Verteidigung verwies auf den politischen Urheber der Opencard, Ex-Oberbürgermeister Pavel Bém (ODS). Dieser war von 2002 bis 2010 im Amt und arbeitete das Gesamtprojekt aus. Seit der Einführung der Opencard ab Ende 2006 rissen die Gerüchte um Korruption nicht ab. Mehrere private Firmen wie Haguess waren in den unübersichtlichen Deal involviert, an dem auch der Lobbyist, Unternehmer und Bém-Vertraute Roman Janoušek beteiligt war.
Béms Nachfolger Hudeček und Svoboda betonten während des Gerichtsverfahrens, sie hätten aufgrund der zuvor geschlossenen Verträge gar nicht anders handeln können. Hudeček sagte schon vor zwei Jahren, dass er und seine Mitangeklagten redliche Volksvertreter seien, die nur „versuchten, die Probleme um dieses überteuerte Projekt zu lösen“. Doch das Gericht ging nicht weiter darauf ein, zumal es nicht Gegenstand des Prozesses war. Für die Richter zählte lediglich das Verhalten im Frühling 2012, als Svoboda im Amt und Hudeček in einer bürgerlichen Koalition sein Stellvertreter war.
Pavel Bém meldete sich derweil über Facebook zu Wort. „Die Preise für die Opencard waren am Ende viel höher als bei der ursprünglichen öffentlichen Ausschreibung veranschlagt“, erklärte Bém und wies jede rechtliche Schuld von sich. Nur eine gewisse „politische Mitverantwortung“ räumte er ein. Was nach seiner Amtszeit entschieden und ausgehandelt wurde, dafür müssten seine Nachfolger geradestehen. Die sehen keine andere Wahl, als weiter „um unser Recht zu kämpfen“, so Hudeček. Sie kündigten nach der Urteilsverkündung unverzüglich Einspruch an. Die Opencard ist inzwischen nicht mehr erhältlich. Sie wurde dieses Jahr durch eine neue elektronische Fahrkarte, die sogenannte Lítačka, ersetzt.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“