Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zum Polit-Skandal um Petr Nečas, zum vermeintlichen Doppelagenten beim BND, zur Frauenquote und zum Wimbledon-Triumph von Petra Kvitová

10. 7. 2014 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Aufrichtiges Erstaunen | Die Literaturzeitung „Literární noviny“ kommt aus gegebenem Anlass noch einmal auf den Fall Nečas zurück und erinnert an den Vorschlag des französischen Rechtshistorikers Jacques Krynen, die Macht der Richter ebenso wie diejenige der Politiker durch Wahlen legitimieren zu lassen. „Diese Meinung ist kontrovers, weil sie das Wesentliche trifft. Wenn nämlich Sarkozy, Nečas, Berlusconi oder David Rath über die ‚Instrumentalisierung’ des Strafrechts gerade in dem Moment reden, in dem sie selbst verfolgt werden, geht es möglicherweise nicht um eine verzweifelte Verteidigungsstrategie. Es geht um den Ausdruck ihrer vorangegangenen authentischen Erkenntnis, dass das Recht stets Teil der politischen Kämpfe war und insofern stets instrumentalisiert wurde. (…) Es geht um das aufrichtige Erstaunen mächtiger Individuen, dass auf einmal ‚unsere Justiz’ nicht mehr die ursprüngliche Aufgabe eines von niemandem gewählten Instruments erfüllt.“

Kindergartenmentalität | Das Online-Magazin „Echo24.cz“ macht sich mit Blick auf den mutmaßlichen Doppelagenten beim BND über die deutsche Geheimdienstszene lustig: „Der verräterische Geheimdienstler wurde entdeckt, als er versuchte, die Einkommensquelle damit zu verstärken, dass er seine Dienste auch den Russen anbot. Man kann nur spekulieren, wie man sich in Deutschland aufgeregt hätte, wenn er sich seine Abnehmer in der umgekehrten Reihenfolge ausgesucht hätte. Wäre der Skandal nicht im Interesse guter Beziehungen zu Russland unterdrückt worden? Wenn wir uns schon auf der mentalen Ebene eines Kindergartens bewegen, auf welcher man sich beim Verfolgen der deutschen Reaktion auf die Ausspähung zwangsläufig wiederfindet, fragen wir uns: Der Bundesnachrichtendienst entdeckte den ‚Maulwurf’, indem er die E-Mail abfing, die an die russische Botschaft mit dem Angebot zur Zusammenarbeit adressiert war. Zu seiner Bestürzung führte die Spur zu seinem eigenen Mitarbeiter. Wie fing der BND die E-Mail ab? Schnüffelt er etwa die elektronische Kommunikation aus? Es sieht ganz so aus.“

Ohne Frau ist auch blöd | Das Wochenmagazin „Reflex“ findet, die jüngst aktualisierte Forbes-Liste der 100 einflussreichsten Frauen sei „für einen Europäer eine traurige Lektüre“, denn nach der erstplatzierten Bundeskanzlerin Angela Merkel „finden wir nur vier (!) weitere Namen aus dem alten Kontinent. (…) Typisches Beispiel für den sinnlosen europäischen Ansatz ist unsere regierende ČSSD (…). Die Vertretung von Frauen in ihr resultiert nicht aus einem starken Strom von innen heraus, sondern es geschieht bloß deshalb, weil es den Männern im Grunde ‚blöd’ erscheint, in der Führung keine Frau zu haben, denn die gilt heute als Notwendigkeit. Ähnlich geht es in anderen tschechischen Parteien und Bewegungen zu. Ganz zu schweigen von der Wirtschaft.“

Lukratives Modell | Die Prager „Hospodářské noviny“ blickt anlässlich des zweiten Wimbledon-Titels von Petra Kvitová im Damen-Einzel auf den „Fast-Eigentümer des tschechischen Tennis“, Milan Černošek, dessen „Lage sich mit dem diesjährigen Wimbledon wahrlich nicht verschlechtert. Petra Kvitová führt an seine Firma ein Viertel der Gewinngelder ab (in Wimbledon 1.760.000 Pfund) und die Kapitalisierung der Erfolge weiterer tschechischer Tennisspielerinnen, die zu seinem Stall gehören, ist auch nicht zu vernachlässigen. Černošek hat ein Modell entwickelt, das dem tschechischen Sport und ihm persönlich Erfolge einträgt. Er ist dermaßen erfolgreich und fähig, dass es die Frage provoziert, ob ihn der Staat beim Geschäft noch unterstützen muss, ob er Zigmillionen an Subventionen erhalten und von staatlichen Firmen gefördert werden soll…“