Blick in die Presse
Tschechische Pressekommentare zu den aktuellen Ereignissen in der Ukraine, zum Fall Petr Plácak und zur Strafverfolgung von Ex-Premier Nečas
26. 2. 2014 - Text: PZText: PZ
Ohne Illusionen | Das Wochenmagazin „Respekt“ verweist auf die Bedeutung der Ereignisse in der Ukraine für Tschechien: „Die Krise in der Ukraine brach just zu der Zeit aus, da sich in Tschechien die Außenpolitik der neuen Regierung herausbildet. Es ist gut, dass Außenminister Zaorálek die Gewalt verurteilte, welche die ukrainische Staatsmacht anwandte, und Sanktionen befürwortete. Die Lektion aus der brutalen Geopolitik, der die tschechische Regierung gleich zu ihrem Beginn ausgesetzt ist, ist wichtig, weil die Geschehnisse in der Ukraine uns sehr viel mehr betreffen, als die Mehrheit bei uns zugeben will. (…) Machen wir uns keine Illusionen. Russland hat sich nicht mit dem Verlust an Einfluss in Mitteleuropa abgefunden, während sich die Vereinigten Staaten ihrer Rolle als Beschützer Europas entledigen. Unser wichtigster Rückhalt – in Bezug auf Sicherheit und Zivilisation – ist in zunehmendem Maße die EU.“
Tragödie | Die Internetseite des Václav-Klaus-Instituts äußert sich zum gleichen Thema als Russland-Versteher: „Die Ukraine ist ein wirtschaftlich fest im postsowjetischen Raum verankertes Land geblieben, angebunden an und in vieler Hinsicht abhängig von Russland. (…) Die Ukraine bedeutet für Russland mehr als das nächstliegende Ausland. (…) Sie ist die historische Wiege seiner Staatlichkeit und Kultur, die Heimat von zig Millionen Russen. In dieser Situation verkennt die Vorstellung einiger Leute in Europa, offenbar auch der wichtigsten Vertreter der EU (…), die Realität, wenn sie es für möglich halten, um die Orientierung der Ukraine nach Westen oder Osten zu streiten. Dies führt das Land in einen unlösbaren Konflikt, der nur in einer Tragödie enden kann. (…) Der Westen half, eine Krise in Gang zu setzen, die er sich in Wirklichkeit nicht wünscht und deren Folgen er nicht bereit ist zu tragen.“
Als ob | Die „Volkszeitung“ glossiert den Auftritt des Premierministers in Brüssel: „Sobotka und Barroso gönnten sich vergangene Woche in Brüssel eine kleine Partie eines bei Politikern populären Spiels, welches ‚Als ob‘ heißt. Der tschechische Premier tat so, als ob sich die Europapolitik Tschechiens grundsätzlich ändere, und Barroso tat so, als ob er das glaube und begrüße. Beide wussten freilich, dass dies nur Worte sind – jedenfalls einstweilen.“
Keine Verjährung | Die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ mahnt die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit an: „Es ist eine klare, fast symbolische Nachricht: Am Tag vor dem Gedenken an den unrühmlichen kommunistischen Umsturz vom Februar 1948 entschied das Gericht, dass der Fall der drei Staatssicherheitsleute, die 1989 den Dissidenten Petr Placák zusammenschlugen, nicht verjährt ist. Ihre Strafen sind also rechtskräftig. (…) Aber was heißt das für uns? (…) Vielleicht folgendes: Ebenso, wie der Fall Placák nicht verjährt ist, verjährt auch unsere kommunistische Vergangenheit nicht. (…) Es geht um Nichtverjährung im weitesten Sinne. So wie es Verbrechen gibt, deren Verfolgung man nicht aufgeben kann, gibt es geschichtliche Ereignisse, deren Aufarbeitung man sich nicht entziehen kann.“
Unmoralische Handlungen | Das „Katholische Wochenblatt“ rügt, dass sich die Unmoral in das öffentliche Leben einschleiche: „Viele begrüßen die Strafverfolgung von Ex-Premier Nečas, weil man mit gleichem Maß misst, ob Premier oder nicht. Die Sache hat jedoch einen Haken, und das in zweifacher Hinsicht. Der ehemalige Regierungschef wird beschuldigt, korruptem Verhalten Vorschub geleistet zu haben, wobei die eigentlich Korrupten durch den Spruch des Obersten Gerichts von Verfolgung befreit wurden. Das ist nicht alles. Offen wird eingeräumt – quer durch die Parteien –, dass auch unmoralische Handlungen Teil des politischen Geschäfts sein können und dass wir das hinnehmen sollen. (…) Das ist gewiss nicht in Ordnung.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“