Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zu den Ergebnissen der Senatswahlen

21. 10. 2014 - Text: Marcus HundtTextauswahl und Übersetzung: Marcus Hundt

Vom Grünschnabel zum Platzhirsch | Während sich die Regierungsparteien nach den Senatswahlen feiern lassen und sie in beiden Parlamentskammern nun über eine komfortable Mehrheit verfügen, blickt die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ bereits in die Zukunft. „Weder die Kommunal- noch die Senatswahlen haben der Regierung irgendeinen Schaden zugefügt. Langfristig gesehen können sie jedoch Einfluss auf das Kräfteverhältnis haben und zu einer schnelleren Machtverschiebung führen.“ Die Christdemokraten seien mit zehn Mandaten nach ČSSD und ODS nun die drittstärkste Kraft im Oberhaus und „spielen mit in der ersten Liga“. Die Position der KDU-ČSL innerhalb der Regierungskoalition sei stärker geworden, bei den Koalitionsgesprächen vor einem Jahr habe man sie noch als „Partei aus dem Jenseits, mit Grünschnäbeln an der Spitze“ behandelt. Hingegen hätten die Sozialdemokraten an Macht verloren. Sie könnten von Glück reden, dass die Kommunalwahlen so früh nach dem Antritt der Regierung stattfanden: „Die Abrechnung der Bürger mit der Regierung konnte ihre Wirkung noch nicht voll entfalten. (…) Das Kräfteverhältnis zwischen den Zugpferden ČSSD und ANO hat sich dennoch weiter verschoben – zu Gunsten von Andrej Babiš. Auch die Tatsache, dass die Sozialdemokraten 10 von 23 Mandaten erfolgreich (?) verteidigt haben, während ANO nur vier Sitze gewonnen hat, ändert nichts daran.“ Denn, so schlussfolgert Kommentator Miroslav Korecký, „wer auf kommunaler Ebene einen klaren Sieg einfährt, hat in der Politik bessere Karten als derjenige, der stärker im Senat vertreten ist.“

Höhenflug beendet | Auch die Tageszeitung „Lidové noviny“ kommentiert die Folgen der jüngsten Wahlen für die Regierungsparteien. Die Sozialdemokraten, meint Kommentator Stanislav Balík, hätten ihre führende Rolle in der Koalition behauptet. Der Höhenflug von ANO hingegen, so hätte die zweite Runde der Senatswahlen deutlich gemacht, sei vorerst beendet. „Vier Senatoren können zwar als Erfolg erachtet werden, aber nach dem Triumph in den Kreisstädten und den hohen Umfragewerten (…) haben sich deren Vertreter mehr erwartet.“ Für eine Überraschung hält Balík das Abschneiden der ODS, die nach der „absoluten Niederlage“ von TOP 09 wieder stärkste Kraft des rechten Lagers ist. Doch sollte man das nicht überbewerten. „Denn dieser Erfolg ist, wie auch der von ANO, (…) vor allem auf die mit der jeweiligen Region verankerten Bürgermeister zurückzuführen.“

Zweite Wahl | Die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ sucht nach Gründen, warum ANO bei den Kommunalwahlen punkten konnte, bei den Senatswahlen aber eine Niederlage einstecken musste. „Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass die Leute, die in den Kommunalwahlen aus Protest ANO wählten, eine Woche später zuhause geblieben sind. Ihre Protesthaltung gegenüber der Politik ist dann doch nicht so ausgeprägt wie ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Senat. Nun ist auch Babiš auf Grenzen gestoßen. Bereits in den Kommunalwahlen hat sich gezeigt, dass ANO (…) nur zweite Wahl ist. Überall dort, wo es ein gewisses Angebot an rechtschaffenen Politikern gab (…) ist Babiš mit seinen schnell zusammengestellten Kandidaten durchgefallen. Das Finale der Senatswahlen hat das bestätigt.“