Blick in die Presse
Tschechische Pressekommentare zu den verbalen Entgleisungen des Präsidenten, zum Beusch Zemans in China, zur Flüchtlingshilfe der Regierung und zu Václav Klaus’ Kritik an Havel
5. 11. 2014 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach
Stabilitätsrezept | Der vor gut einer Woche zu Ende gegangene Staatsbesuch Präsident Zemans schlägt in fast allen Medien hohe Wellen. Es sind vor allem einige provokante öffentliche Erklärungen, die auf Unverständnis bis Empörung stoßen. So spießt das Wochenmagazin „Reflex“ Zemans Äußerung im chinesischen Staatsfernsehen auf, er sei „in das bevölkerungsreichste Land der Welt gekommen, um zu lernen, wie man eine Gesellschaft stabilisieren kann.“ Das Blatt fährt fort: „In China ist die Gesellschaft in einer Weise ‚stabilisiert’, dass in den Konzentrationslagern Tausende Gegner des kommunistischen Regimes gefangen sind. (…) Wenn dies das Beispiel sein soll, wonach die Gesellschaft ‚stabilisiert’ werden soll, dann schütze uns alle Gott.“
Unterwürfiger Ton | Die Tageszeitung „Právo“ kritisiert, Zeman habe in China Taiwan und Tibet in einen Topf geworfen und als „untrennbare Bestandteile Chinas“ bezeichnet, und belehrt Zeman, dass „Taiwan, anders als Tibet, nicht der direkten politischen und militärischen Kontrolle der Volksrepublik China unterliegt. Die Insel verfügt schon Jahrzehnte über eine eigene demokratische Regierung und einen Präsidenten. (…) Aber Zeman versichert dem Moderator des chinesischen Staatsfernsehens ungefragt, dass ihn die Situation in Hongkong nichts angehe, dessen Demokratie China im Rahmen der Konzeption ‚ein Land, verschiedene politische Ordnungen‘ zu respektieren versprach, aber nicht respektiert. Der tschechische Präsident sagt also eigentlich, dass es ihm auch gleich sei, was im Falle einer Vereinigung mit China mit dem demokratischen Taiwan passiert. Zeman wählt diesen unterwürfigen Ton gegenüber China wegen der erkennbar wachsenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit.“
Lächerlicher Beitrag | Die Wochenzeitung „Respekt“ hält die Hilfe Tschechiens für Verwundete und Flüchtlinge aus Syrien für völlig unzureichend, ja für beschämend. Anlass ist die Ablehnung der Regierung, etwa 15 ernsthaft verletzte oder kranke syrische Flüchtlinge und deren nächste Angehörige zur Behandlung ins Land zu lassen. „In diesem Jahr gab die tschechische Regierung 20 Millionen Kronen für die Syrien-Hilfe. (…) Mit Blick auf die Schwere des Problems und auf unsere Möglichkeiten ist dieser Beitrag lächerlich. Kern des Problems ist nicht das Geld – dies lässt sich mit gutem Willen auftreiben –, sondern die tschechische Gesinnung, in der das Gefühl, Bewohner eines kleinen Landes zu sein, tief verwurzelt ist, und dass uns die entfernten globalen Probleme nicht betreffen. Das ist ein Irrtum. Wir sind eines der am meisten vom Export, also vom weltweiten Geschehen abhängigen Länder, und vor allem sind wir keineswegs klein. Mit zehn Millionen Einwohnern gehören wir an die Seite der Niederländer, Schweden oder Österreicher, und 25 Jahre nach der Rückkehr in die Reihen der freien Länder sollten wir schon einen Anteil am Interesse und an der Verantwortung für die Welt annehmen, der unseren Möglichkeiten entspricht.“
In neuem Licht | Der ehemalige Präsident und Premier Václav Klaus hat in einem ausführlichen Interview seinen (verstorbenen) Vorgänger Václav Havel als „mentalen Reformkommunisten“ geschmäht. Die Prager „Lidové noviny“ weist das zurück: „Das, was Václav Klaus sagte, ist nicht nur eine Verteidigung der eigenen Version der letzten 25 Jahre, der eigenen Verdienste und Unfehlbarkeit (…). Es geht nicht nur um eine Verkleinerung von Havels Rolle zugunsten der eigenen, das wäre ja noch menschlich. Nein. Klaus stellt Havel von Anfang an in ein völlig neues Licht: Havel war nicht nur Konkurrent im Wettstreit der Ideen und Ansichten, sondern ein systematischer Gegner der ganzen tschechischen Transformation. Basta. (…) Eine solche Atmosphäre wird die Feiern von 25 Jahren Freiheit begleiten.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“