ČEZ fliegt in Albanien raus
Energiekonzern verliert die Stromverteiler-Lizenz nach einem Jahr Hickhack
24. 1. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: Nancy Waldmann; Foto: F.A. Zykov
ČEZ konnte die Scherben in Albanien nicht zusammenkehren. Die Regulierungsbehörde in Tirana entzog dem Stromanbieter ČEZ Shperndarje am Montag die Lizenz, weil ČEZ die Stromversorgung in dem knapp drei Millionen Einwohner zählenden Balkanstaat nicStromht sichergestellt und das Verteilernetz nicht modernisiert, berichtete die Nachrichtenagentur čtk. ČEZ wolle sich gegen den Rauswurf wehren und vor einem internationalen Schiedsgericht Schadensersatz erstreiten, sagte deren Sprecherin Půlpánová.
ČEZ ist einer der größten transnationalen Energiekonzerne Europas. 70 Prozent gehören dem tschechischen Staat, im Ausland tritt das Unternehmen als privater, kommerziell orientierter Player auf. Als Albanien 2009 das Stromnetz privatisierte mit dem Ziel das marode Netz zu erneuern, bekam ČEZ den Zuschlag und übernahm für 102 Millionen Euro 76 Prozent des staatlichen Stromverteilers OSSH. So entstand die albanische Tochter ČEZ Shperndarje, die rund eine Millionen Menschen in Albanien mit Strom versorgte. Sein Investment ließ sich ČEZ von der Weltbank mit einer Schutzgarantie über 60 Millionen Euro absichern, die im Schadensfall ausgezahlt wird. Die Garantien können Unternehmen beantragen, wenn sie in Krisen- oder Entwicklungsländern investieren, wo Unruhen, Krieg oder Vertragsbruch ein unternehmerisches Risiko darstellen.
Bald zeigte sich, dass das Geschäft mit dem Strom in Albanien nicht allzu lukrativ ist. In einem der ärmsten Länder Europas gehört es zum Alltag, illegal das Netz anzuzapfen, viele Kunden zahlen ihre Stromrechnungen nicht. Laut dem Nachrichtenportal „Balkan Insights“ versprach ČEZ mit 200 Millionen Euro Lücken in der Stromversorgung zu beheben. Allerdings mehrten sich seitdem die Stromausfälle, gleichzeitig blieben geschätzt 45 Prozent des bereitgestellten Stroms unbezahlt. ČEZ häufte Schulden in Millionenhöhe bei dem staatlichen Stromproduzenten KESH an, der die Preise zwischenzeitlich erhöht hatte. Schließlich schaltete ČEZ vergangenes Jahr mitten im kalten November seine Wasserkraftwerke in der Hauptstadt Tirana und in weiteren 31 Kreisen ab und drehte seinen Kunden damit das Warmwasser ab. Daraufhin wurden kurzzeitig 20 ČEZ-Mitarbeiter in Albanien verhaftet, ein Gericht in Tirana verfügte, dass ČEZ die Kraftwerke wieder einschaltete. Im Dezember protestierten laut „Balkan Insights“ hunderte ČEZ-Kunden mit Straßenblockaden, weil ihnen der Strom abgeschaltet worden war. Der Wirtschaftsminister Enno Bozdo warnte ČEZ davor, soziale Unruhen zu provozieren. „Das Verweigern notwendiger öffentlichen Dienstleistungen ist ein kriminelles Vorgehen“, sagte er.
Bereits im Februar 2012 hatte die Staatsanwaltschaft gegen ČEZ Shperndarje wegen Betrugsvorwürfen ermittelt. ČEZ soll Bußgelder von fiktiven Kunden verlangt haben, um auf dem Papier höhere Verluste nachzuweisen. Damit sollten höhere Strompreise gegenüber der Regulierungsbehörde gerechtfertigt werden.
ČEZ bereitete längst seinen Abgang aus Albanien vor und hatte im Dezember den Verkauf seines Anteils am Verteilernetz angekündigt. Das verbot die albanische Regierung und verband damit die Forderung von 19 Milliarden Kronen (760 Millionen Euro), die der Stromkonzern dem albanischen Staat an Schaden verursacht habe. ČEZ fordert nun seine bei der Weltbank hinterlegte Schutzgarantie an. Insgesamt dürfte das Albanien-Desaster dem Unternehmen nicht allzuviel anhaben. Bei einem Reingewinn von gut 33 Milliarden Kronen (1,3 Milliarden Euro) mit einer Steigerung um 27 Prozent allein in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres, fallen die fünf Milliarden Kronen (200 Millionen Euro), die ČEZ an Verlust aus dem Albaniengeschäft veranschlagt, eher wenig ins Gewicht.
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