Coming-out geht viele an

Coming-out geht viele an

Das dritte Prague-Pride-Festival dauert eine ganze Woche und widmet sich dem Bekenntnis zur sexuellen Identität

7. 8. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: Nancy Waldmann; Foto: Prague Pride

An einer Gay-Parade teilzunehmen, muss nicht zwingend bedeuten, gay zu sein. Aber es ist eine Handlung, die hierzulande Folgen haben kann – und ist damit eben doch ein Outing. Der Literaturhistoriker Martin C. Putna kann ein Lied davon singen. 2011 nahm er an der ersten Prague Pride teil und hielt dabei ein Transparent hoch: „Katholische Tunten grüßen Bátora“. Gemeint war Ladislav Bátora, damals Spitzenbeamter im Bildungsministerium und Vorsitzender der konservativen Initiative D.O.S.T., die regelmäßig Gegendemonstrationen zur Prague Pride veranstaltet. Im Mai dieses Jahres fiel Putna sein Outing auf die Füße. Präsident Miloš Zeman verweigerte ihm die Ernennung zum Universitätsprofessor. Er respektiere die sexuelle Orientierung Putnas, aber ein solches Transparent hochhalten – das gehe nun wirklich nicht.

Damit hatte auch Zeman sich geoutet – als Anhänger der bedingten Toleranz. Nach dem Motto: Soll er er doch schwul sein, aber bitte nicht in der Öffentlichkeit und schon gar nicht mit Professorentitel. Das Coming-out ist eben nicht nur eine Sache von Homosexuellen, auch ihre Präsidenten müssen sich dazu verhalten.

Dem Coming-out und dessen Bedeutung für alle Beteiligten und Bezugspersonen widmet sich nun die dritte Auflage des Prague-Pride-Festivals. „Dieses Jahr geht es um menschliche Geschichten: Um Leute, die froh sind, das Coming-out hinter sich zu haben, um die, die es gerade durchleben. Es geht auch um die Eltern und das Umfeld. Oft rollen wir das über ihnen einfach aus und kümmern uns nicht darum, wie sie damit klarkommen“, erklärte Festivalleiter Czeslaw Walek auf einer Pressekonferenz zum Festival.

Unter dem Slogan „Wir sind bunt und gehen raus“ findet nicht nur der traditionelle Umzug der LGTB (Lesbian, Gay, Transgender, Bisexual) statt, zu dem die Veranstalter mindestens 15.000 Teilnehmer erwarten. Nahezu hundert Veranstaltungen widmen sich dem Thema Coming-out in den unterschiedlichsten Kreisen und gesellschaftlichen Sphären. Eine Selbsthilfegruppe für Staatspräsidenten, der sich  Zeman anschließen könnte, ist zwar noch nicht dabei. Aber die Diskussion zu Coming-out in der Politik gehört zu den hochkarätigen Events der diesjährigen Prague Pride. Dass man damit in Tschechien Neuland betritt, zeigt schon die Besetzung der Runde.

Von fünf diskutierenden Politikern sind vier aus dem westeuropäischen Ausland, darunter ein bayerischer Kreistagsabgeordneter. Nur Gustav Slamečka, früherer Verkehrsminister unter der Regierung Fischer und wohl einziger – nicht ganz freiwillig – geouteter Politiker, ist als tschechischer Vertreter mit von der Partie.

An ihrem Arbeitsplatz gehen nur elf Prozent der nicht heterosexuellen Tschechen offen mit der Art,  wie sie lieben und begehren, um. Auch auf der Agenda: Coming-out im Sport, Coming-out für Senioren, Coming-out für Hörbehinderte. Aber die Prague Pride soll vor allem auch eins: Spaß machen. Deswegen wird nicht nur geredet, sondern auch gespielt, getanzt, Sport getrieben, performt, Musik gemacht, gepost und fotografiert.

Und natürlich wird auch protestiert, von D.O.S.T., die bereits zum Boykott des Prague-Pride-Förderers Staropramen aufgerufen hat. Vielversprechend ist eine Ausstellung, die Schwule und Lesben in verschiedenen Lebensumfeldern mit den Personen zeigt, denen gegenüber sie sich geoutet haben. Denn ein Coming-out ist keine Therapie für Egozentriker, die sexuellen Minderheiten angehören, ein Coming-out gibt es nur mit einem Gegenüber.

Prague Pride, 12. bis 18. August, Programm unter www.praguepride.com

Pride-Parade, 17. August, Start: 14 Uhr am Obstmarkt (Ovocný trh)