Das Besondere im Banalen

Das Besondere im Banalen

In der Leica Gallery begegnet der Besucher Felix Lupas Szenen des Alltäglichen

2. 7. 2014 - Text: Daniel NagelstutzText: Daniel Nagelstutz; Foto: Felix Lupa

 

„Denken und handeln wie ein Jäger, so nah wie möglich an das Objekt herantreten und im entscheidenen Moment abdrücken.“ Das ist die Philosophie des israelischen Reportage- und Dokumentarfotografen Felix Lupa. Seine beiden wichtigsten Werkzeuge hierfür sind ein Ultra-Weitwinkelobjektiv und die Fähigkeit, den überraschenden Augenblick zu erkennen. Das Ergebnis des Zusammenspiels beider können Interessierte nun in der Leica Gallery sehen. Die Schau umfasst Aufnahmen aus Tel Aviv, Kuba sowie dem Südsudan.

Lupa zählt zu den bekanntesten Vertretern des Genres „dokumentarische Straßenfotografie“. 1972 in der Ukraine geboren, emigrierte er im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Israel. Mit 24 Jahren schrieb er sich an der „Creative Photography School“ in Tel Aviv ein, an der er unmittelbar nach seinem Abschluss als Dozent lehrte. Nach nur einem Jahr hatte Lupa aber genug von der Theorie und beschloss, die Welt mit seiner Kamera zu erforschen.

Der Großteil der Schwarz-Weiß-Bilder entstand in Lupas Heimatstadt. Es sind die besonderen Momente des alltäglichen Lebens, für die Lupa ein ausgezeichnetes Gespür beweist. So sehen wir eine Mutter, die sich auf dem Bürgersteig zu ihrer kleinen Tochter beugt, um ihr abgezählte Münzen in die Hand zu legen. Im Hintergrund erkennt man einen knienden Bettler, der vergeblich darauf wartet, dass ihm jemand Kleingeld spendet. Man findet kaum ein Exponat, auf dem der Fotografierte direkt in die Linse blickt – als wäre er unsichtbar, scheint sich Lupa seinen Objekten genähert zu haben.

In eine gänzlich andere Welt taucht der Betrachter in den Serien aus dem Südsudan ein. Sie dokumentieren das harte Leben in einer Lehmhüttensiedlung auf dem Lande sowie den Alltag in der Großstadt. Anders als bei den Bildern aus Tel Aviv scheint sich Lupa jedoch weit von seinen Objekten entfernt befunden zu haben, als der auf den Auslöser drückte.

Düsterere Farbtöne, bedrückende Stimmung und schwarze Silhouetten prägen die Bilder aus Kuba. Der Fotograf verzichtet bewusst auf kitschige Impressionen von der Karibikinsel. Stattdessen bezeugen die Bilder Verfall und Armut. So zeigt ein Bild herumhängende Kinder in einem vermüllten Industriepark mit qualmenden Schornsteinen im Hintergrund. Die gespenstische Atmosphäre ist so beklemmend, dass der Betrachter regelrecht von Entsetzen gepackt wird. Als Leitthema in diesen Bildern lassen sich immer wieder die dunklen Silhouetten der Menschen ausmachen, die eine Symbiose mit ihrer tristen Umgebung eingehen.

Geheimtipp der Schau ist die Fotoserie „Dwellers of the Magic Car“. Geheim deshalb, weil die Galerie auf ihrer Homepage nicht auf diese Serie hinweist. Sie zeigt in rührenden Bildern die Geschichte zweier Obdachloser aus Tel Aviv, die Lupa schlichtweg den Blinden und den Alten nennt. Die Reihe beginnt mit einem Foto, auf dem ein verrostetes Auto in einem vermüllten Hinterhof zu sehen ist. Das ausrangierte Fahrzeug mit eingeworfenen Fensterscheiben bildet das Heim der beiden Obdachlosen. Den Schlusspunkt der Serie setzt dieselbe Aufnahme, mit einem entscheidenden Detail, das fehlt: das „Magic Car“. Schade ist, dass im Ausstellungsraum eine begleitende Erläuterung zum Verständnis der Geschichte fehlt.

Besonders Lupas Fotografien zu Tel Aviv und dem „Magic Car“ beweisen den Instinkt des Fotografen für spezielle Augenblicke  im banalen Alltagsleben auf den Straßen. Die Ausstellung ist daher nicht nur für Fotografie-Interessierte sehenswert.

Felix Lupa: Straßenfotografie. Leica Gallery (Školská 28, Prag 1), geöffnet: täglich 14 bis 20 Uhr, Eintritt: 70 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 7. September, www.lgp.cz