Das ist Brünn
Ein lobenswertes Hip-Hop-Video zeigt Roma als Teil der Stadt – und erntet rassistische Kommentare
17. 7. 2013 - Text: Jakob MatheText: Jakob Mathe; Foto: Ausschnitt aus dem Musikvideo
Die Macher des Hip-Hop-Songs „Tohle je Brno“ („Das ist Brünn“) wollen ihre Stadt so darstellen, wie sie ist. Das sorgt für Aufruhr: Das Video zum Lied verzeichnete allein in der ersten Woche über 200.000 Klicks auf Youtube. Im Clip, der so etwas wie die Visitenkarte Brünns sein soll, sind nicht nur die restaurierte Innenstadt und der neue AZ-Tower zu sehen. Auch Stadtteile, die man der Öffentlichkeit sonst eher ungern präsentiert, werden gezeigt: der Hauptbahnhof, die Ruine des alten Fußballstadions und die Bratislavská-Straße, das bekannteste Romaghetto der Stadt. Roma in einem Song über die Stadt Brünn? Das passt vielen Youtube-Usern überhaupt nicht – das Kommentarfeld unter dem Clip wird überschwemmt von rassistischen Parolen.
Hinter dem Lied stecken die Betreiber der Brünner Internetplattform „Prigl“. Im Video tritt neben Rapper Tommy Haze auch Mária Bikárová auf, eine Roma. Die Musiker wollen zeigen, dass die Minderheit fester Bestandteil der mährischen Großstadt ist. „In Brünn treffen alle möglichen Rassen aufeinander, und aus dieser Mischung, entsteht die Schönheit der Stadt,“ singt Bikárová. Dieser Refrain und das gemeinsame Auftreten der Sängerin mit einer Gruppe Roma im Video, bringen eine Welle rassistischer Beleidigungen mit sich. Beschimpfungen wie „Rottet die Zigeuner aus“ und „Schlachtet die schwarzen Schweine! Schande über euch, dass ihr so über unsere Stadt redet!“ finden sich in der Kommentarleiste.
Neben abscheulichen Bemerkungen hat das Video aber auch eine kritische Auseinandersetzung unter den Usern ausgelöst – und viel Zuspruch für die Produzenten. Der Versuch, die Stadt ungeschönt darzustellen und auf ihre kulturelle Vielfalt zu verweisen, wird von vielen positiv aufgenommen – aber auch kritisiert: „Ich habe das Gefühl, dass die Stadt von ihrer schlechtesten Seite gezeigt wird“, bemerkt ein Nutzer. Die Harmonie im Video beschönige die Konflikte und die angespannte Stimmung.
Auf tschechischen Internetportalen sind vulgäre und rassistische Beschimpfungen leider Alltag. In einem Interview mit dem tschechischen Fernsehen zeigt sich Bikárová jedoch unbeeindruckt: „Aus den rassistischen Kommentaren mache ich mir nichts. Ich denke nicht, dass alle Roma gleich sind. Ich bin selber ein Beispiel dafür, ich studiere und tue alles dafür, um im Leben erfolgreich zu sein.“ Trotz der gemischten Reaktionen beweist das Video: Mit Musik erreicht man die Menschen und regt Diskussionen an.
Die tschechische Gesellschaft ist tief gespalten. Davon zeugen nicht nur die Anti-Roma-Aufmärsche in České Budějovice – seit mehreren Wochen ziehen dort samstags Anwohner gemeinsam mit Neonazis durch die Straßen und versuchen immer wieder aufs Neue – und nur dank massivem Polizeiaufgebot vergeblich – in eine von Roma bewohnte Siedlung vorzudringen. Eine Rauferei auf dem Spielplatz reichte aus, um die öffentliche Hatz gegen Roma auszulösen. Die Musiker aus Brünn haben mit ihrem mutigen Engagement einen Schritt in die richtige Richtung gewagt – gegen Rassismus und für Integration.
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