„Den Euro einführen – warum nicht?“

Miloš Zeman spricht in Berlin über die Zukunft Europas

27. 6. 2013 - Text: Isabelle DanielText: Isabelle Daniel; Foto: APZ

Nichts Geringeres als die „Zukunft Europas“ erklärte Miloš Zeman zum Thema seiner „Humboldt-Rede zu Europa“, die er während seiner Deutschlandreise in der vergangenen Woche an der Berliner Humboldt-Universität hielt. Tatsächlich schlägt der Präsident versöhnliche Töne in der tschechischen Europapolitik an. Die großen Visionen bleiben aber aus.

Václav Klaus‘ harsche „Kritik an der heutigen Form einer europäischen Integration“, die der damalige Präsident im Jahr 2010 in demselben Rahmen formulierte, hallt noch nach im Senatssaal der Humboldt-Universität. So nimmt es auch nicht wunder, dass die Organisatoren der seit ihrer Einführung im Jahr 2000 zur etablierten Tradition im wissenschaftlich-politischen Austausch über die europäische Integration avancierten „Humboldt-Reden“ bei der Ankündigung des Festredners Zeman „frischen Wind aus Tschechien“ versprechen.

Im direkten Vergleich mit der erklärten Euroskepsis seines Vorgängers muten Zemans Gedanken zu Europa denn auch tatsächlich revolutionär an. Die Öffnung seines Landes hin zu Brüssel erscheint vor allem dann mehr als nur ein leeres Versprechen, wenn Zeman einen Beitritt zur Währungsunion nicht länger ausschließt. „Tschechien erfüllt alle drei Kriterien, die zur Einführung des Euro erforderlich sind – ich sage also: Warum nicht?“

Kaum Aktuelles

Beim eigentlichen Thema seiner Rede bewegt sich Zeman jedoch konsequent im Ungefähren. Eine Floskel folgt der nächsten, als er über die Notwendigkeiten „gemeinsamer Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik“ spricht – und deren bis dato existierende Formen kritisiert. Zur Illustration zitiert Zeman den früheren US-Außenminister Henry Kissinger, der einst die zum geflügelten Wort gewordene Frage nach Europas Telefonnummer stellte: „Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will?“ Die 27 Außenminister müssten durch einen EU-Außenminister ersetzt werden. Dass der Präsident mit keinem Wort das mit dem Lissabon-Vertrag eingeführte europäische Quasi-Außenministerium, den Europäischen Auswärtigen Dienst, und die Quasi-Außenministerin Catherine Ashton erwähnt, lässt seine „Zukunftsvision“ einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nur noch abstrakter wirken.

Wenig Neues steckt auch hinter Zemans heftig formulierter Kritik an der Europäischen Verteidigungspolitik. Das Problem der EU sei, dass sie auf ihre „soft power“, auf sanfte anstatt auf militärische Macht, setze. Das Beispiel des Bosnienkrieges werfe ein Licht der „Schande“ auf die Europäische Verteidigungspolitik, die es nicht vermocht habe, im Bosnienkrieg rechtzeitig einzugreifen. Auch hier schenkt Zeman sehr viel aktuelleren Entwicklungen wie etwa der Situation in Syrien keinerlei Aufmerksamkeit. Es verdichtet sich der Eindruck einer Rede, die so vor der Ausarbeitung des Lissabon-Vertrages hätte gehalten werden können – den Tschechien als letztes EU-Land schließlich doch noch unterzeichnet hat. Im Jahr 2013 wirken Zemans Reflexionen indessen eher wie ein Sammelsurium oft gehörter Argumente für „mehr Europa“ denn wie ein innovativer Debattenbeitrag, der seinem Titel gerecht wird.

Deutliche Abkehr

„Mehr versprochen“ als geliefert hat Zeman auch nach Ansicht von Patrick Tammer, der für die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland im Publikum sitzt. Inhaltlich interessante Punkte habe Zeman zwar zur Sprache gebracht, „konkret zur Zukunft Europas hat er sich allerdings nicht geäußert.“ Dennoch sei der Wandel in der tschechischen Europapolitik seit dem Personalwechsel auf der Prager Burg bemerkenswert: „Zemans Gesten in Richtung Europa zeigen schon eine deutliche Abkehr von der sehr zurückhaltenden Politik seines Vorgängers.“

„Enttäuscht“ ist nach eigenen Worten Klára Bulantová von der Rede des Präsidenten. Die Erasmusstudentin aus Prag moniert vor allem die „Diskrepanz zwischen dem, was er sagt und seinem Handeln“. Wer „angeblich von einem vereinigten Europa träumt“, müsse sich auch an demokratische Prinzipien in seinem eigenen Land halten. Das tue Zeman als Präsident jedoch nicht.