„Der Dokumentarfilm geht uns direkt an“
Marek Hovorka gehört zu den Gründern des Festivals. Heute leitet er es als Direktor
3. 11. 2016 - Text: Jan NechanickýInterview: Jan Nechanický; Foto: privat
Inwiefern unterscheidet sich Ihr Festival von anderen?
Jedes Dokumentarfilmfestival ist anders. Während der Spielfilm Cannes beherrscht – das in gewisser Weise den Höhepunkt in der Filmbranche bildet, denn besser als die Goldene Palme kann es nicht werden –, gibt es für den Dokumentarfilm kein solch einzigartiges Event. Die Doku ist zu bunt. Jeder Filmtyp hat sein eigenes Festival. Andere Festivals – etwa in München, Leipzig oder Berlin – sind thematisch stärker festgelegt. In Jihlava suchen wir Filme aus, die uns in irgendeiner Art und Weise überraschen.
Gibt es einen Filmtyp, der für Jihlava bezeichnend ist?
Wir sehen jedes Jahr tausende Beiträge. Als ein Kriterium haben wir vereinbart, dass sie überraschen müssen. Das entspricht dem „Entdeckercharakter“ des Festivals. Uns ist wichtig, Filmemachern Raum zu geben, die vielleicht nicht so bekannt sind, die aber entweder in der Form oder bei der Themenauswahl etwas riskieren und eine neue Perspektive eröffnen. Auf den ersten Blick ist das Programm ziemlich vielfältig. Alle Beiträge verbindet der Wille der Regisseure, auf eine eigene Art und Weise zu drehen. Und nicht nach einem Handbuch oder nach den Ansprüchen des Fernsehens.
Das Festival feiert sein 20-jähriges Bestehen. Worauf sind Sie besonders stolz?
Für mich ist die Interaktion mit dem Publikum am Wichtigsten. Ich freue mich, dass das Festival trotz seines anspruchsvollen Programms ein Ort ist, an dem die Filme auf ihre Zuschauer treffen. Trotz fordernder Inhalte sind die Kinosäle meist voll. Filmemacher begegnen ihrem Publikum. Wir versuchen, Werke ins Programm zu nehmen, die verschiedene Menschen ansprechen. Jene, die mit Dokumentationen keine Erfahrung haben, und jene, die die Welt der Dokus bereits für sich entdeckt haben. Bildung mittels Film ist für mich eine natürliche Aufgabe des Festivals.
Wer sind Ihre Zuschauer?
Ungefähr ein Viertel der Besucher kommt aus Jihlava und Umgebung. Etwa drei Viertel reisen aus anderen Regionen oder aus dem Ausland an. Ein Drittel von ihnen besucht das Festival zum ersten Mal. Die restlichen zwei Drittel sind Zuschauer, die wiederkommen. Es freut uns besonders, dass wir beides können – neues Publikum ansprechen und alten Gästen einen Grund geben, zurückzukommen.
Warum sollte man Dokumentarfilme schauen?
Es war von Anfang an schwierig, das Genre zu definieren. Der erste lange Dokumentarfilm – der amerikanische „Nanuk, der Eskimo“ – wurde nach einem Skript gedreht. Alles, was in dem Film gezeigt wird, ist inszeniert. Dieses Paradox – der schmale Grat zwischen Fiction und Non-Fiction – ist mit dem Dokumentarfilm verbunden und macht zugleich auch seine Stärke aus. Meist sind die Zuschauer im Kino überrascht, wie sehr sie der Film fesselt. Sie kennen die Doku nur aus dem Fernsehen, wo vor allem Beiträge über den Zweiten Weltkrieg oder Natursendungen gezeigt werden. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was man als Doku bezeichnen kann. Viele erzählen eine Geschichte, sind ähnlich aufgebaut wie Spielfilme oder können durch ihre Form überraschen. Außerdem berührt uns der Dokumentarfilm in unserem Alltagsleben. Bei einem Spielfilm identifizieren wir uns nicht so einfach mit seinen Figuren, weil in ihm alles stilisiert ist. Der Dokumentarfilm geht uns aber direkt an.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?