Der kleine Doktor aus Prag
Karls-Universität findet keine Plagiatshinweise in der Arbeit von CSU-Generalsekretär Scheuer
22. 1. 2014 - Text: Klaus HanischText: khan/ca; Foto: Bundestag
Stürzt nach Karl-Theodor zu Guttenberg ein weiterer Hoffnungsträger der CSU über seinen Doktortitel? Für den neuen Generalsekretär Andreas Scheuer könnte ein akademischer Grad zum Verhängnis werden, den er vor zehn Jahren in Prag erworben hat. An der Karls-Universität absolvierte er ein sogenanntes „kleines Doktorat“. Doch der tschechische „doktor filozofie“ hat in Wissenschaftskreisen nicht den gleichen Rang wie ein deutscher Doktor.
Deshalb wird dieser Titel, der nach Meinung von deutschen Professoren kaum über einen Magister-Abschluss hinausreicht, nur in Bayern und Berlin anerkannt. Und er muss im Gegensatz zum deutschen Titel nach dem Namen getragen werden.
Scheuer, der seit 2002 im Bundestag sitzt und vor seiner Zeit in der CSU-Zentrale schon Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium war, bezeichnete sich in der Öffentlichkeit jedoch offenbar generell als Doktor. Deshalb ermittelte die Staatsanwaltschaft in seiner Heimatstadt Passau nach einem Bericht der „Augsburger Allgemeinen“ bereits 2005 wegen Titelmissbrauchs gegen ihn. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt.
Nun erhob die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) zusätzlich Plagiatsvorwürfe gegen den CSU-Mann. Scheuer hatte in Prag eine Arbeit über die „politische Kommunikation der CSU im System Bayern“ eingereicht. Darin habe er fast wörtlich aus einer Wahlanalyse der Bundeszentrale für politische Bildung abgeschrieben, ohne diese Passage explizit zu kennzeichnen. Kurz nach der FAZ-Veröffentlichung über Ungereimtheiten in seiner Promotion teilte Scheuer mit, dass er „vom Führen des Titels künftig völlig absehen“ werde.
Fragwürdige Spuren
Das ist jedoch womöglich nicht genug. Während führende Politiker der CSU, mit dem Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Horst Seehofer an der Spitze, den Fall für erledigt ansehen, ebbte die Kritik aus anderen Parteien nicht ab. Auch Wissenschaftler gehen davon aus, dass Scheuer seinen Titel nicht aus wissenschaftlichem Interesse an Politik und Soziologie erworben habe, sondern um vor allem politisch Karriere zu machen. Dafür sei ihm der Weg über seine Heimat-Universität in Passau wegen einer zu schlechten Magisterarbeit verbaut gewesen.
Damit rückt die Prager Hochschule ins öffentliche Blickfeld. Und mit ihr der mittlerweile emeritierte Professor für Politikwissenschaft Rudolf Kučera. Er hatte Scheuers Arbeit als Doktorvater betreut. Kučera wird eine gewisse Nähe zur CSU nachgesagt, gerade in Scheuers Heimat Niederbayern. Kučera erklärte gegenüber der FAZ, dass Scheuer keine Lehrveranstaltungen in Prag besucht habe. Für seine Doktor-Arbeit habe er von ihm auch keine Tschechisch-Kenntnisse erwartet. Und er sei vor zehn Jahren auch nicht der einzige Ausländer für solch ein Doktorat gewesen.
Auch die Prager Karls-Universität hat unterdessen auf die Vorwürfe in den Medien reagiert. Die Arbeit von Scheuer werde eingescannt und mit der Anti-Plagiats-Software „Urkund“ und „Theses“ überprüft, teilte sie am Montag mit. Am Dienstagnachmittag gab sie das Ergebnis der Untersuchung bekannt: Die Analysen hätten nicht nachgewiesen, dass Scheuers Text „Merkmale eines Plagiats aufweist“, so Václav Hájek, Sprecher der Bildungsstätte. Zugleich habe die Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität sich mit der Bitte um Zusammenarbeit an den deutschen Ombudsmann für die Wissenschaft, den Hochschulprofessor Wolfgang Löwer, gewandt. Diesem zufolge weise Scheuers Arbeit Spuren eines Plagiats auf, erklärte Hájek. Sollte ein Plagiat nachgewiesen werden, fügte der Sprecher hinzu, werde sich die Ethikkommission der Universität mit der Angelegenheit beschäftigen.
„Wie 1938“
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