Der lange Schatten der Vertreibung

Der lange Schatten der Vertreibung

 

 

 

Vor 70 Jahren begann eine ethnische Säuberung – mit bis heute andauernden Folgen

10. 2. 2016 - Text: Matěj SpurnýText: Matěj Spurný; Foto: APZ

Als Folge der Zwangsaussiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik kam es zu Bevölkerungsverschiebungen, von denen etwa fünf Millionen Menschen betroffen waren. Das hat die demografischen, sozialen und die Eigentumsverhältnisse in unserem Land auf Dauer radikal verändert und das Wesen der Gesellschaft grundlegend geprägt – also unser Selbstverständnis und das, worauf wir unsere Identität gründen. Das aus Sicht der tschechischen Geschichte extrem kurze und dramatische Geschehen hat tiefe Spuren hinterlassen, die auch heute nicht verschwunden sind – 70 Jahre, nachdem der erste mit Menschen vollgestopfte Zug das tschechische Grenzgebiet in Richtung Bayern verließ und damit den organisierten „Abschub“ einleitete.

Es ergibt aus vielen Gründen keinen Sinn, die sogenannte Dritte Tschechoslowakische Republik als einen bemerkenswerten Versuch der Erneuerung der Demokratie zu schildern, den erst der kommunistische Februarputsch vereitelte. Die Zeit von 1945 bis 1948 zählt zu den blutigsten Abschnitten der tschechischen Geschichte, sie brachte zehntausende Tote, mehr als drei Millionen Vertriebene und Deportierte und den Verfall grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien.

Während der letzten Kriegsmonate und unmittelbar danach waren alle bedeutenden tschechischen und slowakischen Politiker mit der kollektiven Aussiedlung der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung und mit der slawischen Besiedelung der tschechischen Grenzgebiete einverstanden. Vor allem wegen der Äußerungen von Edvard Beneš nehmen wir die Zwangsaussiedlung der Deutschen bis heute vorwiegend als Glied einer unbezweifelbaren und unvermeidbaren historischen Kette wahr – als einzige mögliche Reaktion auf das Münchner Abkommen und die Kriegsverbrechen, und zum Teil wohl auch als Wiedergutmachung früherer Formen der Unterdrückung des tschechischen Volkes. Das reicht zurück bis zur Schlacht am Weißen Berg, die in diesem Kontext nicht nur die politischen Akteure erwähnten, sondern auch die Gesetzgebung des Jahres 1945.

Präsident Edvard Beneš, der wichtigste Garant der Kontinuität der staatlichen Ordnung, argumentierte konsistent ungefähr in der folgenden Logik: Dass die Tschechen den Deutschen entgegengekommen waren, hatte die Deutschen nicht vom Verrat abgehalten, den sie durch ihr bestialisches Verhalten während des Zweiten Weltkriegs vollendeten. Nach dieser Erfahrung sei Entgegenkommen nicht mehr möglich, und es gebe keine andere Lösung als die Vertreibung; jede andere Lösung würde neue Gefahren heraufbeschwören. In Brünn, Pilsen, Tábor, Lidice und anderswo rief Beneš dazu auf, mit den Deutschen abzurechnen. Im Grunde goss er Öl ins Feuer des ohnehin aufwallenden Hasses. Trotz seiner unbestreitbaren Autorität scheint es jedoch, dass Beneš für die Mehrheit der Gesellschaft zu defensiv argumentierte. Mehr noch als seine historische Logik prägte die Vision einer idyllischen Zukunft die Atmosphäre der Zeit.

Der „Abschub“ war in dieser Deutung nicht die unerlässliche Lösung, um weitere Katastrophen zu verhindern, sondern die Chance, eine ethnisch reine Gesellschaft aufzubauen. Deshalb sollte die Säuberung von den zweifellos Unerwünschten nur ein erster Schritt sein, dem weitere Säuberungs- und Depor­tationswellen folgen sollten. Menschen mit unklarer ethnischer Identität wurden entfernt, die slowakischen Ungarn deklassiert und zerstreut, die kroatischen Dörfer in Südmähren liquidiert, ebenso angeblich kriminelle Elemente im Grenzgebiet und mit der Zeit auch Klassenfeinde.

Menschen als unzuverlässige oder unerwünschte Elemente zu kennzeichnen, reichte aus, um sie auszusiedeln oder auf andere Weise ohne Gerichtsurteil heimzusuchen. All das wurde durch die Vision einer idealen slawischen Gemeinschaft gerechtfertigt, die sich durch hohe Arbeitsmoral, Solidarität, schöpferische Fähigkeiten und Mut auszeichnete. Einheit und Zuverlässigkeit sollten Schlüsselbegriffe dieser neuen Gesellschaft werden.

Aus der Logik der Sache heraus musste physische Gewalt diesen Prozess begleiten; gerechtfertigt wurde sie als legitimer Weg zur neuen Gesellschaftsordnung. Das lässt uns begreifen, wie die kommunistische Diktatur entstehen konnte und weshalb ein großer Teil der Gesellschaft sie hingenommen hat. Die Säuberungsmethoden, die gegen weitere soziale Gruppen angewandt wurden, kehrten in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre in mancherlei Hinsicht zurück zu den Mustern aus den ersten zwei Nachkriegsjahren; Eigentum wurde konfisziert (und verstaatlicht oder in Genossenschafts­eigentum überführt), Menschen wurden gewaltsam an den Rand der Gemeinschaft gedrängt, gegebenenfalls in Arbeitslager oder Gefängnisse gesperrt und am Ende auch hingerichtet.

All diese Methoden hatte die tschechische Gesellschaft in relativ naher Vergangenheit erlebt, und das nicht nur als Unterdrückung durch die Okkupanten, sondern in den Jahren 1945 bis 1947 auch als ein aus damaliger Sicht gerechtes Instrument des eigenen „demokratischen“ politischen Systems. Dabei war dieses Instrument gegen jene gerichtet, die der neuen Gesellschaft aus vielerlei Gründen nicht angehören sollten. Ein Unterschied bestand nur darin, dass die Verfolgungen in den ersten beiden Nachkriegsjahren um ein Vielfaches mehr Opfer kosteten als die Prozesse, Internierungen und sonstigen Repressionen der fünfziger Jahre.

Die Kommunisten setzten die Säuberung als Form der politischen Praxis nicht allein und gegen den Willen der übrigen Bevölkerung durch. Es handelt sich vielmehr um ein generelles Phänomen der Nachkriegspolitik, das zumindest am Anfang die Eintracht aller wichtigen politischen Akteure festigte, auch wenn sie sich in der Frage, gegen wen gewaltsam vorzugehen sei, durchaus uneinig sein konnten. Die Säuberung war auch kein Vorhaben, das von den Politikern oder den Eliten der Sicherheitsbehörden in die Gesellschaft hineingetragen wurde. Die Akteure reagierten eher auf eine gewisse Nachfrage, die sich in der tschechischen Gesellschaft schon seit der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre herauskristallisierte. Ein noch nicht dagewesener Drang nach einer gründlichen Säuberung „von unten“ ist für die zweite Hälfte der vierziger Jahre ebenso charakteristisch wie für die gesamten fünfziger Jahre. Die Sehnsucht nach ethnischer und sozialer Einheit, die in massenhafter Repression gegen alle mündete, welche die neue Gesellschaft nicht einbeziehen konnte oder wollte, trägt heute noch zur Bildung unserer Identität und politischen Kultur bei.

Die Ethnifizierung des Rechts

Der „Abschub“ wurde zwar als ein Akt der Wiedergutmachung des „Münchner Verrats“ ausgegeben, womit eine Anknüpfung an die Erste Republik suggeriert wurde. Doch gründete er darauf, dass die bürgerlichen Rechte eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung beseitigt wurden. So trug er wesentlich dazu bei, die liberale Rechtsordnung zu zerschlagen, die sich auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik ebenso wie in ganz Mitteleuropa im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte. Somit knüpfte die Erneuerung der Tschechoslowakei nicht an die Republik der Zwischenkriegszeit an, sondern führte Tendenzen fort, für die die nationalsozialistische Regierungsweise stand. Der Verfall des liberalen Verständnisses bürgerlicher Rechte lässt sich insbesondere daran festmachen, wie die Grundsätze der Staatsbürgerschaft und der Eigentumsrechte gehandhabt wurden.

Schon in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit brachten die Bodenreform und Maßnahmen gegen „unzuverlässige“ Bewohner, die auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz der Republik 1936 durchgesetzt wurden, die unveräußerlichen Bürgerrechte ins Wanken. In beiden Fällen griff der Staat rasant und ohne gerichtliches Mandat in die individuellen Bürgerrechte ein. Die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, der Eckpfeiler eines jeden Rechtsstaats, endete nach der Zerschlagung und der Okkupation der Tschechoslowakei in den Jahren 1938 und 1939. An die Stelle des einheitlichen Prinzips der Staatsbürgerschaft traten nun Kategorien von Menschen mit unterschiedlichen Rechten nach ethnisch-rassischen Kriterien. Im Unterschied zu den Juden wurden die Tschechen zwar nicht kollektiv aller bürgerlichen Rechte beraubt, zum Beispiel der Eigentumsrechte, sie waren jedoch den unberechenbaren Zugriffen der Reichsbürger (also der Deutschen) ausgesetzt.

In dieser Situation reiften in London langsam Vorschläge und rechtliche Grundlagen zur „Lösung der deutschen Frage“ in der Tschechoslowakei, wie Edvard Beneš es nannte. Wie vorher die nationalsozialistische Gesetz­gebung gingen sie davon aus, dass man die grundlegenden bürgerlichen Rechte nach ethnischen Kriterien verleihen kann. Die ersten Entwürfe aus den Jahren 1942 bis 1944 glichen den Regeln, die für die tschechischsprachige Bevölkerung im Sudetengau galten; sie machten die Deutschen zu Bürgern zweiter Klasse und gingen von deren Aussiedlung aus. Im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaates billigten sie jedoch ein Optionsrecht und individuelle Überprüfung zu. Ebenso waren Enteignungen gegen Entschädigung vorgesehen, ausgenommen sollten besondere Fälle nationalsozialistischer Verbrecher werden. Erst in den Jahren 1944 bis 1945 wurden die Pläne radikaler und glichen langsam eher den Gesetzen, die im Dritten Reich und in den besetzten Gebieten bis zum Beginn der sogenannten Endlösung im Jahre 1941 für die Juden galten – einschließlich des Entzugs aller bürgerlichen Rechte und der entschädigungslosen Enteignung.

Fehlende Definition

Wie die Ethnifizierung der bürgerlichen Rechte aussah, die im Frühjahr und Sommer 1945 in der Gesetzgebung verankert wurde, ist bekannt. Fast vier Millionen Deutsche und Ungarn, deren Familien überwiegend Jahrhunderte auf dem Gebiet der Tschechoslowakei gelebt hatten, sollten die Staatsbürgerschaft und alle bürgerlichen Rechte (einschließlich des Rechts auf Eigentum) verlieren. Als Hauptkriterium für die Gewährung der Bürgerrechte galt die Nationalität. Dieser für die Schicksale von Millionen Menschen maßgebliche Begriff war jedoch paradoxerweise in den zentralen Nachkriegsdekreten in keiner Weise definiert. In internen Dokumenten räumte die Regierung ein, dass das absichtlich geschehen war und strategische Bedeutung hatte.

Die politischen Eliten gingen davon aus, dass es in den ethnisch gemischten Verhältnissen keineswegs einfach sein wird, Deutsche von Tschechen zu unterscheiden. Obwohl sie damit eingestanden, dass „Deutsche“ und „Tschechen“ keine objektivierbaren Kategorien darstellen, statteten sie gerade die beiden Gruppen mit diametral verschiedenen Rechten aus. Die Schublade der Nationalität, die für diese Konstruktion bestimmend sein sollte, wurde nebelhaft mit nicht eindeutigem Verweis auf die Mutter- oder Kommunikationssprache und auf die subjektiven Angaben zu ihrer Volkszugehörigkeit während der dreißiger Jahre definiert. Das ließ der politischen Macht einen hinreichend großen Spielraum für die Entscheidung, wer zum Körper der neu konstruierten nationalen Gemeinschaft gehört und wer nicht.

Die Sprachzugehörigkeit oder kulturelle Identität wurden zum Kriterium für die Zuerkennung der bürgerlichen Rechte. Das prägte auf grundlegende Weise die Wiedererrichtung des tschecho­slowakischen Staates in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre. Gegen Ende der Dekade ließen die Verantwortlichen langsam von der schärfsten Form dieser ethnischen Konditionierung des Rechts ab. Gleichwohl hinterließ die Abgrenzung der Gemeinschaft Spuren, die den Einschnitt des Jahres 1950 weit überdauern.

Seit den fünfziger Jahren wurde die These der kommunistischen Eliten (der sich zum größeren Teil sogar die politische Praxis anpasste) propagiert, dass alle Einwohner ohne Rücksicht auf ihre nationale Identität als vollberechtigte Bürger zu gelten hätten. Doch diese These wurde nicht einmal von den unteren Strukturen der Kommunistischen Partei angenommen, umso weniger von den gewöhnlichen Bürgern – namentlich in den Grenzgebieten und vor allem in Bezug auf die Deutschen, Ungarn und Roma.

Ausschluss der Minderheiten

Ebenso festigte die Restitution des Eigentums nach 1989 den Ansatz, das Eigentumsrecht an die Ethnizität zu knüpfen. Demnach wurde nicht die Konfiskation von Eigentum im Allgemeinen als widerrechtlich bezeichnet, sondern nur die gegen­über den Tschechen und Slowaken vorgenommenen Eigentumskonfiskationen nach Kriterien der Klassenzugehörigkeit nach 1948. Die Menschen, die auf Grundlage der Dekrete des Präsidenten der Republik nach 1945 die Staatsbürgerschaft verloren hatten, erhielten verständlicherweise nicht einmal diese zurück.

Somit arbeitet die rechtliche Konstruktion von Staatsbürgerschaft und Eigentumsrechten ebenso wie der Prozess der „Wiedergutmachung“ auch nach 1989 bewusst mit der Koppelung von Ethnizität und bürgerlichen Rechten. Die Tschechische Republik baut ihre Legitimität auf diese Konstruktion auf, wiewohl sie sich allgemein zu den Prinzipien des liberalen Rechtsstaates bekennt, der eine Verknüpfung zwischen ethnischer (oder jeglicher sonstiger) Zugehörigkeit und den Grundrechten ablehnt.

Der tschechoslowakische Staat wurde also wiedergeboren als Nationalstaat – mit dem konsequenten, sogar demonstrativen Ausschluss der Minderheiten und der prinzipiellen Negierung des Phänomens Minderheiten. Dabei ging es nicht nur um die Abschaffung von „Privilegien“ für Minderheiten, sondern gleichzeitig um eine durchgängige Kontrolle ihrer Loyalität gegenüber dem Staat, zu der sich die Angehörigen des Staatsvolkes berechtigt fühlten. Die Kommunisten gehörten seinerzeit zu den lautesten Propagatoren der nationalen Nachkriegsideologie, obwohl ihr Verhältnis zum Nationalismus später, vor allem in der Zeit des tschechoslowakischen Stalinismus, zumindest zwiespältig war. Trotz aller ideologischer und politischer Wendungen war man sich freilich immer einig, dass es keine vom Staat gewährte Autonomie für einzelne soziale Gruppen geben kann. Kulturelle oder sonstige Autonomie galt als unvereinbar mit der Vorstellung eines einheitlichen Volkes, das von allen trennenden Barrieren befreit war.

Der Imperativ der kulturellen Geschlossenheit wurde zu einem zentralen Wert, auf dem bis heute die Legitimität unseres Staates fußt und mit dem sie auch fällt. Weder die assimilierten Deutschen, noch gelegentlich die Juden, ja nicht einmal die Vietnamesen, sofern sie sich rasch anpassen, werden in der Regel von Seiten der Mehrheit oder der politischen Eliten als Gefahr wahrgenommen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass sie sich einer Wertehierarchie unterordnen müssen, zu der ein besonderes Verständnis rechtschaffener Arbeit oder der Respekt gegenüber etablierten Gewohnheiten zählt und vor allem die Fähigkeit, sich dem Ideal eines ruhigen, durch nichts gestörten Zusammenlebens anzupassen.

Offener Wertekanon

Mitnichten allein die universale Menschlichkeit in Verbindung mit dem Territorialprinzip, sondern erst die erwähnten Werte, die der Durchschnittlichkeit und Anpassungsfähigkeit den Vorzug geben, qualifizieren im tschechischen Milieu zur Aufnahme in die Gesellschaft. Dieser Kanon ermöglicht es, die große Mehrheit der heute in der Tschechischen Republik lebenden Menschen als Teil der Gemeinschaft anzunehmen. Im Gegensatz zu streng ethnischen oder engen religiösen Kriterien, die in anderen Regionen Europas oder der Welt maßgeblich sind, können wir jenen Kanon als verhältnismäßig offen wahrnehmen. Umso schärfer und undurchlässiger aber sondert er die aus, die nicht hineinpassen – zum Beispiel die Roma, die tief unter der Armutsgrenze leben, oder etwaige Zuwanderer aus einem anderen Kulturkreis, bei denen die Perspektive einer schnellen und problemlosen Assimilierung nicht gegeben ist.

Die Bindung der Bürgerrechte an ethnische Kriterien und das allgemeinere Ideal der kulturellen Einheitlichkeit sind für das Verständnis vom tschechischen Staat bis heute mitbestimmend. Wir haben zwar Phasen erlebt (beispielsweise Ende der sechziger Jahre oder in den frühen Neunzigern), als es schien, dass edlere und universellere Werte und Ideale diese Auffassung verdrängen.

Die hiesige Reaktion auf die jüngsten Ereignisse in der Welt und in Europa bestätigt dennoch erneut, dass das Bemühen um ein offeneres tschechisches Selbstverständnis einstweilen ohne Erfolg bleibt. Eingefleischte Vorstellungen über Ordentlichkeit und anpassungsfähige Bürger sind für uns weiterhin grundlegender als universale Werte wie globale Verantwortung oder Solidarität mit Menschen in Not.

Politik und Gesellschaft hierzulande verharren im Schatten der „Ethnokratie“, die die Zwangsaussiedlung der deutschsprachigen Bewohner rechtfertigte, ermöglichte und organisierte. Der Schatten der Festung, in die wir das Land nach dem Krieg und der ethnischen Säuberung selbst eingeschlossen haben, ist verdammt lang. Je länger wir uns fürchten, aus seiner sicheren Schutzzone ins Licht der Weltgeschichte herauszutreten, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit der Lichtflut noch zurechtkommen werden.

 

Matěj Spurný ist Historiker. Der Text erschien auf Tschechisch in der Wochenzeitschrift „Respekt“ Nr. 5/2016. Übersetzung:  Josef Füllenbach