Der reinste Horror
Grusel, Sex, Science Fiction: David Cronenberg im Haus zur Steinernen Glocke
24. 2. 2016 - Text: Katharina WiegmannText: Katharina Wiegmann; Fotos: GHMP
Ein schwarzer Tunnel wartet am Eingang der Galerie im Haus zur Steinernen Glocke auf die Besucher. Er bildet den Übergang von der malerischen Kulisse des Altstädter Rings in die düstere Fantasiewelt des kanadischen Regisseurs David Cronenberg, bekannt für Science-Fiction-Filme wie „Die Fliege“ und „Videodrome“, Horror-Schocker wie „Die Brut“ sowie brutale Analysen der amerikanischen Gesellschaft in „A History of Violence“ oder „Cosmopolis“.
„Evolution“ ist die Ausstellung betitelt und so führt der Rundgang in der ersten Etage zunächst durch das frühe Schaffen Cronenbergs. Beschreibungen der Filme und ihre Einordnung in das Gesamtwerk des Kanadiers hängen neben Bildschirmen, auf denen ausgewählte Szenen zu sehen sind. Hier haben sich die Kuratoren offenbar keinerlei Grenzen hinsichtlich dessen gesetzt, was dem Publikum zumutbar ist. Explodierende Köpfe, Parasiten, die aus dem Abfluss in die Badewanne krabbeln und den Sexualtrieb ihrer Wirte steigern, eine Frau, die ihr mutiertes Neugeborenes sauber leckt – einen robusten Magen und ein Faible für schockierende Spezialeffekte sollte man schon haben.
Rund um die Bildschirme sind bizarre, surreale Objekte aus Cronenbergs Filmen ausgestellt: Operationsbesteck für mutierte Frauen, Helme, die Halluzinationen aufnehmen, Computerspiel-Erweiterungen zur Transplantation in den eigenen Körper. Manche von ihnen werden in Vitrinen auf eine Art und Weise präsentiert, die an ein Völkerkundemuseum erinnert. So spiegeln sie die Faszination des Kanadiers für Wissenschaft und seinen Blick auf die bisweilen angsteinflößenden Möglichkeiten menschlicher Schaffenskraft wider.
Mit seinen Eindrücken und Assoziationen wird der Besucher im ersten Teil der Ausstellung allein gelassen. Biographische Informationen zum Regisseur, die möglicherweise Anknüpfungspunkte für die Interpretation des Gesehenen liefern könnten, fehlen. Es geht nicht um Kronenberg als Person, sondern um universelle Themen wie Horror, Sex, Körper und Bewusstsein.
Ästhetisch und atmosphärisch funktioniert das alles in den historischen Räumlichkeiten ziemlich gut. So wirkt das Gerät zur Teleportation, das einen Wissenschaftler in „Die Fliege“ in ein Insekt verwandelt, in einem schummerig beleuchteten Raum unter gotischen Spitzbögen wie eine mystische Pforte in eine andere Welt.
In der zweiten Etage werden Cronenbergs jüngere Werke gezeigt, die nicht mehr derart schonungslos das Innere des Menschen sezieren, sondern sich der Außenwelt, dem gesellschaftlichen Kontext und der Interaktion zuwenden. Im Vergleich zum frühen Schaffen wirken Filme wie „Eine dunkle Begierde“ und „Maps to the Stars“ mit ihren Hollywood-Besetzungen fast schon zahm. Sex und Missbrauch sind aber auch hier bestimmende Themen.
Im filmischen Mainstream ist Cronenberg trotzdem schon lange angekommen. Er gilt weltweit als einer der einflussreichsten Regisseure, seine Filme werden regelmäßig bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt. Auch in Prag werden seine Werke für die Dauer der Schau zu sehen sein. In einem der Ausstellungsräume wurde ein kuppelförmiger Kinosaal installiert, der jeden Tag fünf verschiedene Filme Cronenbergs zeigt.
„Ich bin mir sicher, dass das Publikum es genießen wird, die seltsamen und verstörenden Objekte aus Cronenbergs Filmen an Kafkas Geburtsort zu sehen“, sagte Kurator Piers Handling anlässlich der Ausstellungseröffnung. Ob er damit recht hat oder nicht – Kafka selbst zumindest hätte sicher seine helle Freude an Cronenbergs Werk gehabt.
David Cronenberg: Evolution. Haus zur Steinernen Glocke (Dům U Kamenného zvonu) (Staroměstské nám. 13, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 10 bis 20 Uhr, Eintritt: 265 CZK (ermäßigt: 190 CZK), bis 17. Juli, www.ghmp.cz
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