Der sensible Sammler
Kupferstiche aus der Zeit des Kaisers Rudolf II.
10. 1. 2013 - Text: Linda LorenzText: Linda Lorenz; Bild: NG
Prag, 17. Jahrhundert – ein gewaltiges Stadt-Panorama von Aegidius Sadeler entführt den Besucher in die Welt Kaiser Rudolf II. (1552–1612). Anlässlich des Jahres seines 400. Todestages (20. Januar 2012) stellt die Nationalgalerie ausgewählte Druckgraphiken aus dem Kunstfundus des Habsburger Kaisers aus.
Rudolf II. galt als musischer Melancholiker. Statt das Zepter zu schwingen, beschäftigte er sich lieber mit der Kunst, las Bücher und unterhielt sich mit Wissenschaftlern und Astronomen seiner Zeit. Seine politische Untätigkeit und der Apell zur Religionsfreiheit lösten alsbald einen patriarchalen Konflikt zwischen ihm und seinem Bruder Matthias aus. Doch Dank der Sammelleidenschaft von Rudolf II. entstand eine der größten Kunstkammern weltweit. Seine Kollektion umfasst filigrane Arbeiten aus Elfenbein, Edelstein, Bernstein, diversen Gefäßen und Keramiken sowie Bronzefiguren und Münzsammlungen. Der größte Teil bestand jedoch aus Gemälden und Graphiken. Rund 800 hat der Kaiser davon besessen. Viele der Künstler arbeiteten an seinem Hof. Bei der Eroberung Prags um 1648 plünderten die Schweden einen Großteil der kaiserlichen Sammlung und brachten die Beute nach Österreich. Heute stellt das Kunsthistorische Museum Wien den Schatz in dessen „Bruegel-Sammlung“ aus.
Natur und Erotik
Die Nationalgalerie hat die immense Fülle der Bilder und Graphiken gesichtet und nur aus jenen ausgewählt, die in der Stadt Prag entstanden sind – so auch vier Portraits von Rudolf II. Anhand dieser kann der Betrachter den Alterungsprozess des Herrschers nachvollziehen. Ebenso widmet sich die Schau Personen aus dem unmittelbaren Umfeld des Kaisers. Darunter befand sich auch Matthias Wacker von Wackerfels. Jener war kaiserlicher Ratgeber am Hofe Rudolf II. und hat im genannten Bruderstreit stets zu seinem Schutzherrn gehalten. Sein Porträt hängt ebenso in den altehrwürdigen Hallen des Kinsky-Palastes.
Weitere Motive sind von Themen geprägt, die Rudolf II. stark beschäftigten: Religionen, Natur und Erotik. Immer wieder taucht Minerva auf, die römische Göttin der Weisheit, Wissenschaft und Klugheit – Ränge, die immerfort das Leben des Kaisers bestimmten. Zudem hegte der Herrscher eine tiefe Bewunderung für die Arbeiten Albrecht Dürers, dessen exakte Linienführung sich deutlich von den übrigen Werken der Ausstellung abhebt.
Imposant ist Martin Rotas Werk „Das jüngste Gericht“ (1576). Es entstand unmittelbar nach dem Tod des Vaters Maximilian II. und zeigt den Eintritt ins Reich Gottes. Unten in der Hölle suhlen sich die Geächteten, oben thront Gott auf einer Wolke. Bildfüllend tummeln sich Engel, Propheten, Evangelisten, Apostel und Figuren aus dem Alten Testament. In der Mitte kämpft Erzengel Michael gegen den Teufel. Obschon dieser Stich der Epoche des Manierismus zuzuordnen ist, weist das Werk bereits barocke Eigenschaften auf. So zeichnet es sich durch eine theatralisch-pathetische und fantasievolle Darstellung aus.
Auch wenn Rudolphs Herrschaft in steter Kritik des Adels stand und er als Kaiser nicht viel unternahm, hinterließ er einen kulturellen Schatz, von dem die Welt bis heute zehrt.
Rudolf II. Meister und Grafik, Kinsky-Palast (Hradčanské náměstí 15, Prag 1), geöffnet: Di.–Do. 9.30–17 Uhr, Fr. 9.30–16 Uhr, Eintritt 150 CZK (ermäßigt 80 CZK), bis 26. Mai
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