Der Unparteiische

Der Unparteiische

Präsident Zeman besucht seine alten Genossen

20. 3. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: čtk

„Ein Neuanfang für unser Land“ soll das kommende Jahr werden. Und kaum jemand bezweifelt, dass bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2014 diejenige Partei die meisten Stimmen erhält, die sich diesen Slogan ausgedacht hat. Die tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD) feierten sich auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende in Ostrava selbst und luden dazu prominente Gäste ein. Mit dem Auto kam der slowakische Ministerpräsident und Vorsitzende der sozialdemokratischen Smer-SD Robert Fico vorgefahren. Tschechiens Präsident und einstiger ČSSD-Chef Miloš Zeman ließ sich hingegen mit dem Hubschrauber in die ostmährische Industriestadt einfliegen. Beide Politiker trafen sich also in der Mitte und fanden warme Worte für die oppositionelle Sozialdemokratische Partei, die in den Meinungsumfragen einsam an der Spitze verharrt. Eine ernsthafte Konkurrenz ist nicht in Sicht.

Fico empfahl der ČSSD – sollte die Möglichkeit dazu bestehen – das Land allein zu führen und damit dem slowakischen Beispiel zu folgen: „Obwohl ich früher Gänsehaut bei diesem Gedanken bekam, glaube ich heute, es ist das beste Modell, um in den Kampf gegen die Wirtschaftskrise zu ziehen.“ Auch eine Minderheitenregierung käme dabei in Frage.

Umstrittene Eintracht
In diesem Punkt waren sich auch die meisten der 600 Delegierten einig. Sogar das Staatsoberhaupt. Zeman präsentierte sich eine Woche nach Amtsantritt als jemand, der im wahrsten Sinne des Wortes Partei ergreift. Auf die Befürchtungen einiger Parteigenossen, Zeman werde alles daran setzen, die ČSSD zu zerschlagen, reagierte der Präsident mit einer Rüge: „Deren politischer Instinkt ist nicht sonderlich ausgeprägt“. Eindeutig stellte sich Zeman auf die Seite der ČSSD und gegen die konservativ-liberale Regierung. Den größten Beifall erhielt der „neutrale Mittler“ – als der er sich noch vor gut zwei Wochen selbst bezeichnete – nach seiner Bekanntgabe, als „tschechischer Bürger würde ich mir wünschen, dass die ČSSD die nächsten Wahlen gewinnt.“

Führende Sozialdemokraten sprachen danach von einem „Zeichen der guten Beziehungen zwischen dem Präsidenten und der Partei“ oder einer „sehr hilfreichen Geste“. In der Welt außerhalb der Sozialdemokratie fasste man die Rede hingegen als klaren Fehltritt des höchsten staatlichen Repräsentanten auf.

Auf dem 37. Parteitag der ČSSD wurden nicht nur Reden gehalten, sondern auch Beschlüsse gefasst. Mit 87 Prozent der Delegiertenstimmen wurde Bohuslav Sobotka im Amt des Parteivorsitzenden bestätigt – er besäße damit eigener Aussage nach ein „sehr starkes Mandat“ für die anstehenden Aufgaben. Zemans Gegenkandidat im Präsidentschaftswahlkampf Jiří Dienstbier musste hingegen eine herbe Niederlage einstecken. 297 Stimmen waren eine zu wenig, um seinen Platz im Parteivorstand zu behaupten. Beobachter sprachen nach der überraschenden Abstimmung vom „Bauernopfer Dienstbier“, der nicht nur seiner eigenen Parteiführung, sondern auch Präsident Zeman gegenüber zu kritisch eingestellt sei. Für die Politikwissenschaftlerin Vladimíra Dvořáková habe die ČSSD mit der Abwahl Dienstbiers einen „schwerwiegenden Fehler“ begangen: „Dienstbier sprach eine sehr breite Wählerschicht und auch einen bestimmten Wählertyp an. Dieser wird den Sozialdemokraten nun fehlen.“

Koalition offen
Großen Schaden wird diese Personalentscheidung aber nicht anrichten, sind sich Experten einig. Die Kommunikation zwischen ČSSD und Präsident würde ohne Dienstbier besser verlaufen. Zudem demonstrierten die Sozialdemokraten als einzige große Konstante der tschechischen Parteienlandschaft Einigkeit. „Sich bis zu den Wahlen in inneren Konflikten zu zerreißen, wäre politischer Selbstmord. Dessen sind sich alle bewusst“, benennt Dvořáková eine Stärke der Partei. Entsprechend geschlossen stimmten die Delegierten auch über eine weitere wichtige Frage ab. Sollte der sogenannte „Bohumíner Beschluss“, der eine Regierungskoalition mit den Kommunisten untersagt, aufgehoben werden? Nur neun Abgeordnete pflichteten dem bei. Parteichef Sobotka stellte fest, die KSČM sei – das zeigten auch die gemeinsamen Koalitionen auf Kreisebene – zu sehr mit der Aufarbeitung ihrer eigenen totalitären Vergangenheit beschäftigt. „Diese belastende Debatte würde auch auf Regierungsebene dazu führen, dass die Probleme, die unser Land wirklich hat, nicht gelöst werden können“, so Sobotka. Gleichwohl kann er sich eine von den Kommunisten tolerierte ČSSD-Minderheitenregierung vorstellen.