Der Wahrheitssuchende

Der Wahrheitssuchende

Journalist Arnd Brummer ergründet, warum ein frommer Katholik wie Jan Hus auf dem Scheiterhaufen landen konnte

16. 7. 2015 - Text: Friedrich GoedekingText: Friedrich Goedeking; Bild: Wichern-Verlag

 

Der katholische Viertklässler Arnd Brummer war fassungslos, als er 1967 von seiner Religionslehrerin erfuhr, dass Jan Hus in seiner Heimatstadt Konstanz als Ketzer verbrannt worden war, weil er dem Papst und der Kirche den Gehorsam verweigerte. Wie kann man einen Menschen wegen Ungehorsam verbrennen? Diese Frage ließ Arnd Brummer nicht mehr los.

Der Ketzer wurde sein großes Thema auf dem Weg zu seiner persönlichen Reformation. Nach 20 Jahren trat er zur evangelischen Kirche über. Nun hat Brummer zusammen mit dem Journalisten Uwe Birnstein ein Porträt über Hus veröffentlicht. Unter dem Titel: „Warum ein frommer Katholik auf dem Scheiterhaufen endete“ zeichnet er in sieben Kapiteln den Weg des böhmischen Reformators nach, wie der Theologe und Volksprediger von der Kirche als Ketzer verurteilt und verbrannt wird.

In einer gut lesbaren und erfrischenden Sprache hat der Autor eine hervorragende Einführung in die Zeit und Ideenwelt des Jan Hus geschaffen. Er versteht es, in einer verständlichen Sprache eine Epoche, die mit ihren politischen Konflikten und theologischen Auseinandersetzungen zu den turbulentesten der europäischen Geschichte gehört, lebendig werden zu lassen. Dabei hat er dennoch sorgfältig die neueren Ergebnisse der Forschung berücksichtigt. So widerspricht er der bis heute verbreiteten These, Hus hätte lediglich von dem englischen Reformator John Wyclif abgeschrieben. Brummer verweist darauf, dass er im Unterschied zu Wyclif die traditionelle katholische Lehre von der heiligen Wandlung beim Abendmahl vertrat. Auf der anderen Seite belegt er, dass Hus in seiner Kritik an der weltlichen Herrschaft weiter ging als Wyclif.

Wichtig ist Brummer der Nachweis, dass Hus weder tschechischer Nationalist noch ein Hassprediger gegen die Deutschen gewesen sei. Ausführlich beschreibt er, wie der Reformator auf seinem Weg nach Konstanz die Sympathiekundgebungen der deutschen Bevölkerung genoss. „Christus weiß, dass ich einen guten Deutschen mehr liebe als einen schlechten Tschechen und wenn er mein leiblicher Bruder wäre“, zitiert er Hus. Sorgfältig hat Brummer auch zu anderen Themen, mit denen sich Hus auseinandersetzte, Zitate des Reformators ausgewählt.

Für Brummer ist Hus kein Politiker und kein Revolutionär. Er bleibt der Wahrheitssuchende, der volkstümliche Intellektuelle, der faszinierende Prediger, der Freund der kleinen Leute. In seinem Schlusswort kritisiert er, dass Hus nicht einmal anlässlich des 600. Jahrestages seiner Verbrennung in Deutschland die ihm gebührende Beachtung gefunden hat: „Noch immer leiden die Tschechen unter dem Umgang der Deutschen mit Jan Hus, seinem Werk und Sterben. Es ärgert sie, dass ihr Reformator auf dem Wege zum 500. Jahrestag der Veröffentlichung von Martin Luthers Thesen am 31. Oktober 1517 in Wittenberg nur am Rande wahrgenommen wird. Zu Recht! Denn die Selbstbezichtigung Luthers, er sei ein „Hussit“, ist nackte Wahrheit.

Dieses Buch ist von einem deutschen Hussiten geschrieben, der hofft, dass die Texte und Thesen John Wyclifs und Jan Hus’ überall sichtbar werden, wo der kirchlichen Reformation gedacht wird. Die sichtbare Kirche braucht eine permanente Reformation, wenn sie der unsichtbaren Kirche Jesu Christi geistlich nahekommen will.“  

Arnd Brummer: Jan Hus. Warum ein frommer Katholik auf dem Scheiterhaufen endete. Wichern-Verlag, Berlin 2015, 160 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-3-88981-389-3