Die Bärtigen holen den Pott
Viktoria Pilsen feiert dank eines 3:0-Sieges am letzten Spieltag den zweiten Meistertitel der Vereinsgeschichte
5. 6. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: čtk
Die Bilder gleichen sich. Wie vor Jahresfrist stemmen stramme bärtige Sportler den begehrten Silberpokal jubelnd in den Abendhimmel. 2012 waren es allerdings nicht die Profis aus Pilsen, sondern diejenigen aus Liberec, die sich über die Meisterschaft in der Gambrinus-Liga freuten. Was im Eishockey längst üblich ist, scheint sich nun auch im tschechischen Fußball durchzusetzen: In den letzten Wochen vor der Titelentscheidung lassen sich die Spieler die Gesichtshaare wachsen. Diesen Frühling waren es die Spieler vom FK Viktoria Pilsen, die sich als Tabellenführer am ehesten zutrauten, die Meisterschaft zu holen und sich dementsprechend einen „Playoff-Bart“ zulegten.
Allerdings mussten Mannschaft, Trainerstab und Fans lange auf den Erfolg warten, zeitweise gar um ihn bangen. Was vor dem vorletzten Spieltag noch wie eine sichere Sache aussah, verkam doch noch zur Zitterpartie. Am 26. Mai war das Fest schon angerichtet. Zuhause, vor ausverkauftem Haus, wollte die Elf von Trainer Pavel Vrba den Sack mit einem Sieg gegen den amtierenden Titelträger Slovan Liberec zumachen. Fünf Punkte betrug der Vorsprung auf den Rivalen Sparta Prag bei noch zwei ausstehenden Spielen. Doch Slovan erwies sich als Spielverderber. Eventuell war es auch ein wenig der Stolz eines abtretenden Meisters, nicht Steigbügelhalter für den neuen zu sein und ausgerechnet in dessen Stadion Zeuge der Stabsübergabe zu werden. „Nur Ruhe bewahren“ hieß das Motto der Pilsener nach der überraschenden 1:2-Niederlage. „Wir können immer noch aus eigener Kraft Meister werden“, gab sich der erfahrene Kapitän Pavel Horváth einigermaßen gelassen. Nun musste halt auf fremden Boden der zweite Titel der Vereinsgeschichte eingefahren werden. Gegen den Absteiger aus Hradec Králové sollte das möglich sein.
Am 30. und letzten Spieltag wurden alle Partien gleichzeitig angepfiffen. Am Samstag, 1. Juni, ab fünf Uhr nachmittags, begann der Endspurt um den Titel.
Chancenloser Absteiger
Um 17.01 Uhr war die Entscheidung schon fast gefallen. Es waren gerade 46 Sekunden gespielt, da hämmerte Pilsens Nationalspieler Vladimír Darida das Spielgerät nach glänzender Vorarbeit von František Rajtoral zum 1:0 in die Maschen des gegnerischen Gehäuses. Hradec Královés Spieler hatten den Ball noch kein einziges Mal berührt, da lagen sie schon in Rückstand.
Es war der Startschuss zu einer überzeugenden Darbietung des Titelaspiranten aus Westböhmen, der fortan nie mehr ernsthaft um den Sieg fürchten musste. Bereits neun Minuten später erhöhte der aufgerückte Innenverteidiger Václav Procházka nach einem Eckball das Ergebnis mittels Kopfballtor. „Unser Beginn war außergewöhnlich. Wenn man nach zehn Minuten schon 2:0 führt, beeinflusst das den weiteren Spielverlauf wesentlich zu deinen Gunsten. Ab dann konnten wir aus einer gesicherten Defensive heraus unsere Konter fahren“, beschreibt Erfolgscoach Vrba den Spielverlauf.
Ein solcher führte kurz nach dem Seitenwechsel dann auch zum Endresultat. Nach einem abgefälschten Schuss landete das Leder auf der Querlatte, der bemitleidenswerte Torhüter von Hradec Králové hing da schon im Tornetz und Pilsens Marian Čišovský konnte den Abpraller ziemlich lässig über die Linie bugsieren. Es war die endgültige Entscheidung. Kurz darauf entrollten die zahlreich mitgereisten Viktoria-Anhänger bereits ein Transparent mit der Aufschrift: „Mission completed“ – Mission erfüllt.
Goldener Oldie
„Den ersten Matchball zuhause konnten wir nicht verwerten. Wir wollten es halt noch ein wenig spannend machen“, scherzte Horváth nach dem Titelgewinn. „Letztendlich zeigten wir aber auch unter Druck, welche Qualitäten wir besitzen. Auch deshalb haben wir den Titel verdient“, so der 38-Jährige. Es ist zu einem großen Teil auch sein Verdienst, dass Pilsen nach einer langen und intensiven Saison ganz oben in der Tabelle steht.
Aufgrund leichten Übergewichts, grauen Schläfen und seines oft etwas behäbig wirkenden Schrittes würde man Horváth auf den ersten Blick eher bei den Senioren als in der ersten Mannschaft verorten. Doch auch im hohen Fußballeralter ist er Gold wert für sein Team. Er ist der „Pacemaker“, also derjenige, der den Spielrhythmus der Mannschaft bestimmt. Er weiß genau, wann er Ruhe in die eigenen Reihen bringen und wann er das Tempo anziehen muss. Kaum ein anderer in der tschechischen Liga verfügt in dem Maße über diese herausragende Qualität, dank der dem Oldie im Spätherbst die seltene Ehre zuteil wurde, von der UEFA ins „Europa-League-Team der Vorrunde“ gewählt zu werden.
Ein anderer elementarer Baustein ist der Trainer. In der tschechischen Sport-Bibel „Nedělní Sport“ bezeichnet Kommentator Karl Häring Vrba als „Mini-Ferguson“ – in Anlehnung an den langjährigen Erfolgsgaranten von Manchester United. Seit Vrba in Pilsen an der Seitenlinie steht, spielt Viktoria stets um den Titel und feiert auch international Erfolge. So möchte man den Trainer selbstverständlich in der Biermetropole halten. Und dieser zeigt sich nicht abgeneigt. „Ich habe einen Vertrag bis 2015. Und den gedenke ich auch einzuhalten.“ Diese Worte dürften für Team, Vereinsspitze und Fans eine Wohltat sein.
Ziel Champions League
Sein Engagement in Pilsen möchte Vraba mit einer weiteren Qualifikation für die Champions League krönen. Dort war man vor zwei Jahren bereits. Doch wer wird von den Leistungsträgern nach der Sommerpause noch dabei sein? Spieler wie Limberský, Rajtoral oder Darida sind eigentlich schon längst reif für höhere Aufgaben in stärkeren europäischen Ligen. Man wird sehen, wen es trotz Treueschwurs doch in eine andere Liga lockt.
Was die tschechische Gambrinus-Liga angeht, so rechnet Vrba für die kommende Saison mit einem härteren Konkurrenzkampf. „Liberec und Slavia zeigten zuletzt aufsteigende Tendenz, das verspricht eine noch spannendere und ausgeglichenere Saison zu werden als die vergangene“, so der 50-jährige Übungsleiter. Und gewiss möchte dann auch Liga-Krösus Sparta Prag wieder ein Wörtchen um den Titel mitreden.
Diese Saison wurde der tschechische Rekordmeister bereits zum fünften Mal innerhalb von sechs Jahren Vize-Meister. Den hohen Ansprüchen des Traditionsvereins genügt das nicht. „Unser Hauptziel, die Meisterschaft zu gewinnen, haben wir diese Saison verfehlt“, resümiert Spartas Trainer Vítězslav Lavička. Da half auch der 3:0-Heimsieg am letzten Spieltag gegen Lokalrivale Dukla nichts. „Die größte Herausforderung ist es nun, die kommende Saison noch erfolgreicher zu beenden“, zeigt sich Lavička kämpferisch. Das würde nichts anderes bedeuten als Platz eins – und dass die bärtigen Männer 2014 aus der Hauptstadt kommen würden.
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