Die Folgen der Diskriminierung
Zum internationalen Roma-Tag hagelt es schlechte Nachrichten
10. 4. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: oew.org/Elisabeth Hölzl
Der Fall sorgte im vergangenen Frühjahr wochenlang für Schlagzeilen: In Břeclav, Nahe der österreichischen Grenze, wurde ein junger Mann mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Er sei von Roma überfallen worden, behauptete der 15-Jährige. Die Medien berichteten ausführlich, die meisten Journalisten nahmen den Jungen beim Wort. In der Stadt kam es zu wütenden Anti-Roma-Protesten, es herrschte Pogrom-Stimmung. Schließlich das Geständnis des Jungen: Der Überfall war ausgedacht, die Verletzungen zog er sich bei einem Sturz zu.
Dass die Berichterstattung über Roma in den tschechischen Medien von Vorurteilen geprägt ist, kann man jetzt schwarz auf weiß nachlesen. Eine anlässlich des internationalen Roma-Tages am vergangenen Montag veröffentlichte Analyse der Regierungsagentur für soziale Integration stellt fest: Zum schlechten Image der Roma in Tschechien tragen in erheblichem Maße die Medien bei.
Insgesamt nahmen die Experten 6.300 Medienberichte unter die Lupe. Das Ergebnis: In drei Fünfteln aller Fälle wurde über Roma im Zusammenhang mit Kriminalität berichtet. „Diese stereotypen Darstellungen tragen zu dem schlechten Bild bei, das die Mehrheitsgesellschaft von der Minderheit hat. Die ständig wiederholte Verbindung von Roma und Kriminalität fördert diese Assoziation auch in Berichten, wo von Kriminalität gar nicht die Rede ist“, so die Autoren der Studie.
Aber nicht nur das Bild der Roma ist bedenklich. Die Lebensbedingungen der schätzungsweise rund sechs Millionen in der EU lebenden Roma ist nach Berichten der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) prekär: Acht von zehn Roma leben an der Armutsgrenze, nur einer von sieben erreicht einen Schulabschluss – dies ist die Folge anhaltender Diskriminierung, so Amnesty. „Die EU muss sofort Maßnahmen ergreifen und diejenigen Mitgliedsländer mit Sanktionen belegen, die bei der Verhinderung von Gewalt und Diskriminierung gegen Roma versagen“, so John Dalhuisen, der Amnesty-Verantwortliche für Europa und Zentralasien.
Explizit geht die Menschenrechtsorganisation auf die Lage in Tschechien ein: Dort würden Roma systematisch im Bildungssystem diskriminiert – das widerspreche sowohl der nationalen Gesetzgebung als auch der EU-Legislative. Bedenklich sei auch die Zunahme von Ghettos: Von den etwa 200.000 tschechischen Roma leben rund ein Drittel in isolierten Armutsvierteln mit einer Arbeitslosenquote von nahezu 100 Prozent. Diese Zahlen hat die tschechische Regierungsagentur für soziale Integration aktuell sogar deutlich nach oben korrigiert: Über 400 solcher Armen-Ghettos gebe es mittlerweile.
Es gibt aber auch positive Beispiele: In der so genannten „Brünner Bronx“, einem hauptsächlich von Roma bewohnten Armenviertel, haben sich in den letzten 10 Jahren die Verhältnisse deutlich verbessert. Voraussetzungen waren ein unermüdliches Engagement von Sozialinitiativen, aber auch Investitionen seitens der Stadt.
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