Die Rückkehr der schwarzen Scheibe
Im mittelböhmischen Loděnice werden jährlich mehr als 1,5 Millionen Schallplatten produziert – Tendenz steigend
17. 10. 2012 - Text: Bernd RudolfText: Bernd Rudolf; Foto: APZ
Den Jüngeren dürfte sie fast schon fremd erscheinen, ältere Generationen dagegen vermissen sie: die aus der Mode gekommene Schallplatte.
Bis Mitte der achtziger Jahre war sie wichtigster Tonträger für Musik. Als Anfang der Neunziger die größten Konzerne der Musikbranche den „Tod der Schallplatte“ verkündeten, glaubte niemand ernsthaft, dass die schwarze Scheibe jemals wieder aufgelegt würde.
Doch Totgesagte leben länger. Allein in Deutschland, dem zweitbedeutendsten Musikmarkt Europas, konnten laut Angabe des Bundesverbandes für Musikindustrie die Schallplattenhersteller 2011 einen Umsatzanstieg von knapp 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verbuchen. Die schwarze Scheibe scheint wieder gefragt.
Eine der ersten Firmen, die den Trend voraussah, ist das US-amerikanische Unternehmen „Pirates Press“. Vor acht Jahren begann die Firma in San Francisco die klassischen Tonträger wieder herzustellen. Seit 2003 lassen sie auch im tschechischen Loděnice in der Nähe von Beroun produzieren. Das Unternehmen beschäftigt weltweit knapp 30 Mitarbeiter. „Aufgrund der verschiedenen Zeitzonen können wir sozusagen 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche arbeiten. Das macht uns relativ unabhängig“, erklärt James Balson, Vorstandsvorsitzender von Pirates Press in Europa. Verkauft werden die Schallplatten in der ganzen Welt. Besonders wichtig sei der US-amerikanische Markt, aber auch Europa. Vor allem Deutschland und Großbritannien gehören laut Balson zu den umsatzstärksten Regionen.
Für Tschechien hatte sich das Unternehmen entschieden, weil es in Westeuropa keine entsprechenden Produktionsstätten mehr gab, die ohne größeren Aufwand und Kosten ihren Betrieb wieder hätten aufnehmen können. Fündig wurde man schließlich in Loděnice. Das Unternehmen dort hatte selbst während der neunziger Jahre, als die Schallplatte längst abgeschrieben war, noch produziert.
Vinyl versus MP3
Allein im vergangenen Jahr verließen 1,75 Millionen Platten die Produktionsstätte in Böhmen; in diesem Jahr hofft Balson, die Zwei- Millionen-Grenze zu überschreiten. „In den letzten zehn Jahren konnten wir einen jährlichen Zuwachs von zehn bis 20 Prozent verzeichnen. Vor allem die elektronische Musik der Achtziger und Neunziger kam uns da quasi zu Hilfe.“ Aber auch Rock’n’ Roll, Punk, Metal und Indie seien bei Sammlern gefragt.
„Mit Vinyl kann man keinen großen Gewinn machen, aber trotz steigender Kosten wollen wir unsere Preise so niedrig wie möglich halten“, so Balson. Die Nachfrage nach der guten alten Scheibe sei derzeit so hoch, dass selbst Supermärkte wieder Plattenspieler in ihr Sortiment aufnehmen. Die Kundschaft umfasst laut Balson sämtliche Altersgruppen. „Es sind nicht nur Hi-Fi-Freaks, die ihre Musik auf Vinyl hören wollen“, bekräftigt der Unternehmer. Für viele sei das MP3-Format nicht akzeptabel, da Musik komprimiert werden müsse und nur unvollständig wiedergegeben werden könne. Außerdem zelebrierten viele Musikliebhaber das Ritual, die Nadel sachte auf die Scheibe zu setzen. Dass CD und MP3 so erfolgreich wurden, lag Balson zufolge vor allem daran, dass Schallplatten nicht so leicht zu transportieren und zu lagern sind. Qualitativ sei die Platte den digitalen Medien aber weit überlegen. „Ich versichere ihnen, dass man selbst bei normalen Lautsprechern die Unterschiede hört“, so Balson.
Das Interesse an Vinyl könnte auch zukünftig fortbestehen. „Wir wissen zwar nicht, welche Entwicklungen auf uns zukommen, doch momentan sieht es so aus, als würde uns die Schallplatte noch eine Weile erhalten bleiben.“ Zudem habe die Schallplatte den Vorteil, dass die gespeicherte Musik im Gegensatz zu digitalen Tonträgern beinahe eine Ewigkeit überdauere. „Vinyl gibt es schon seit mehr als 120 Jahren, kein anderer Tonträger ist so alt. Muss ich dazu noch mehr sagen?“
Bekenntnis zu Břeclav
Drastische Maßnahmen