Die Rückkehr der Stars
Tschechiens Fußball-Eliteklasse blickt gespannt auf die kommende zweite Saisonhälfte
21. 2. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Viktoria Pilsen
Normalerweise spricht man von einem „goldenen Herbst“ oder dem „zweiten Frühling“, manchmal auch von einem „Form-Hochsommer“: Es gibt viele Metaphern in der Fußball-Sprache, die für den Zustand des sportlichen Höhenflugs benutzt werden. Betrachtet man die Entwicklung des tschechischen Klub-Fußballs in den vergangenen Wochen, so darf man dieser Terminologie den Begriff „Spitzenwinter“ hinzufügen. Und das, obwohl noch keine einzige Minute in der Rückrunde der Gambrinus-Liga-Saison 2012/13 gespielt wurde.
Den Beginn dieser erfreulichen Entwicklung machten Anfang vergangenen Dezember die beiden Meisterschaftsanwärter Viktoria Pilsen und Sparta Prag. Sie qualifizierten sich für die Runde der letzten 32 in der UEFA Europa League und bescherten der heimischen Liga somit nicht nur viel Anerkennung und Prestige, sondern auch wichtige Punkte in der sogenannten Fünfjahreswertung der kontinentalen Verbände. Von diesen hängen die zukünftigen Startplätze im internationalen Geschäft ab. In den vergangenen Jahren wurde Tschechien in jener Tabelle etwas abgehängt – nun findet die Liga dank der starken Leistungen von Pilsen und Sparta langsam wieder den Anschluss ans vordere Mittelfeld. Und das Beste daran: Es scheint so weiterzugehen. Zumindest Pilsen darf sich nach einem hervorragenden 3:0-Auswärtssieg in Neapel am vergangenen Donnerstag auf das Achtelfinale freuen. Der zweite Grund, weshalb man von einem Spitzenwinter sprechen kann, sind die Verpflichtungen zweier tschechischer (Alt-)Stars, die der Liga zumindest in den nächsten Monaten einen Schuss Glamour verleihen: David Jarolím und Milan Baroš kehren nach Jahren im fußballerischen Exil in die Heimat zurück.
Routinierter Modell-Athlet
Jarolím entsprang der Slavia-Schule und wagte im Jahre 1997 den Schritt in die Bundesliga, wo er sich nach Anlaufschwierigkeiten beim FC Bayern München in Nürnberg (1. FC) und später in Hamburg (HSV) durchsetzen konnte. Insgesamt absolvierte der Mitttelfeldspieler 318 Spiele in Deutschlands Profiligen. Nach einem kurzen Abstecher nach Frankreich zu Evian vergangenen Herbst entschloss sich der 33-Jährige entgegen diverser Gerüchte, die ihn mit dem 1. FC Kaiserslautern in Verbindung brachten oder schon auf einer Trainer-Bank der HSV-Juniorenabteilung sahen, für eine Rückkehr nach Tschechien.
Beim ambitionierten Kleinklub FK Mladá Boleslav unterschrieb Jarolím einen Einjahresvertrag. „Die Idee ist es, dass ich dieser jungen Truppe mit meiner Erfahrung helfe. Ich freue mich auf diese Aufgabe“, so der Modell-Athlet gegenüber dem tschechischen Staatsfernsehen. Für Jarolím dürften die letzten Jahre seiner Aktivzeit ausschließlich in der Heimat vorübergehen. Anders sieht dies bei Stürmer Milan Baroš aus. Der 31-Jährige, der nach der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekanntgab, möchte bei Baník Ostrava noch einmal Schwung für den Rest der Karriere holen. Er unterschrieb vergangenen Montag einen Vertrag bis 2014, der aber eine Ausstiegsklausel enthält, die es ihm erlauben würde, bereits kommenden Sommer wieder ins Ausland zu gehen. Dies setzt entsprechend interessante Angebote voraus. Zuletzt kam Baroš bei Galatasaray Istanbul nicht mehr zum Einsatz, was seinen Marktwert stark sinken ließ.
Auch wenn Baroš’ beste Zeiten schon etwas zurückliegen – der Angreifer ist wohl einer der spektakulärsten Transfers der jüngeren Geschichte der Liga. Viele andere Ex-Nationalspieler wie Karel Poborský oder Vladimír Šmicer kamen gegen Ende ihrer Karriere zwar auch zu České Budějovice beziehungsweise Sparta Prag zurück, dies aber in noch fortgeschrittenerem Alter und als regelrechte Oldies. „Mein letztes Spiel war jenes bei der EM gegen Portugal. Deswegen habe ich gewiss einen physischen Rückstand, den ich hier mittels eines Spezialtrainings aufzuholen gedenke. Ich hoffe aber, dass ich dem Team schnellstmöglich helfen kann“, so Baroš zu seiner Situation. Es sind dies die üblichen Floskeln, die die Erwartungshaltung an den prominenten Zuzug etwas herunterschrauben sollen.
Dominante Spitzenteams
Es ist symptomatisch, dass keiner dieser Ex-Internationalen den Weg zu einem absoluten Spitzenteam gefunden hat. Weder Leader Viktoria Pilsen noch Verfolger Sparta Prag sind auf ihre Dienste angewiesen. In Sachen Formstand, Zusammensetzung, Ausgeglichenheit und Ehrgeiz dieser beiden Mannschaften kann der Rest der Liga einpacken. Zwar steht der FK Baumit Jablonec zur Zeit noch auf Rang zwei zwischen den genannten Titelfavoriten, doch nach dem Verlust ihres Topscorers David Lafata dürften sich die Grün-Weißen kaum mehr lange in diesen Höhen der Tabelle aufhalten. Der Routinier und aktuelle Nationalstürmer fand einen ambitionierteren und zahlungskräftigeren Arbeitgeber: Sparta.
Allzu viel geschah ansonsten nicht auf dem Transfermarkt. Vor allem innerhalb der Liga blieb es ziemlich ruhig. Erwähnenswert ist höchstens noch der leihweise Wechsel Edgar Malakjans von Pilsen zum SK Dynamo České Budějovice. Bei den Westböhmen konnte sich der armenische Nationalspieler gegen die starke Konkurrenz nicht durchsetzen, denn die Leistungsträger Viktorias hielten dem Verein über die Winterpause hinaus die Treue. Erstaunlich ist es durchaus, dass nur Slavias Innenverteidiger-Haudegen Martin Latka den Weg über die Grenze in eine große Liga fand (nach Deutschland zu Fortuna Düsseldorf). So sorgen David Limberský, Vladimír Darida, František Rajtoral und Co. wohl auch im Frühling für Furore in den tschechischen Fußball-Stadien. Es dürfte dabei ein packendes Duell mit Sparta Prag um den Titel anstehen. Und man darf auch gespannt sein, wo Milan Baroš und David Jarolím mit ihren Vereinen am Ende der Saison stehen werden und ob ihr Karriereherbst so goldig ausfällt wie sie es sich wünschen.
Pilsen trumpft auf – Sparta tapfer
In der Runde der letzten 32 der UEFA Europa League bestritten Viktoria Pilsen und Sparta Prag ihre Hinrunden-Partien unterschiedlich erfolgreich. Sparta wehrte sich tapfer gegen den amtierenden Champions-League-Sieger Chelsea London. Vor eigenem Anhang setzte es aber dennoch eine 0:1-Niederlage ab. Chelseas Jungstar Oscar schoss kurz nach seiner Einwechslung in der 82. Minute den entscheidenden Treffer.
Der FC Viktoria Pilsen sorgte mit einem 3:0-Auswärtssieg gegen Italiens Spitzenklub SSC Neapel für die Sensation der Runde. Vladimír Darida, František Rajtoral und Stanislav Tecl erzielten die Tore gegen ein geschocktes Napoli. Mit dieser Vorlage sollten sich die Mannen von Trainer Pavel Vrba die Achtelfinal-Qualifikation im Rückspiel in Pilsen nicht mehr nehmen lassen.
Rückspiele Runde der letzten 32
Donnerstag, 21. Februar
FC Chelsea – AC Sparta Prag, 21.05 Uhr
FC Viktoria Pilsen – SSC Neapel, 21.05 Uhr
„So schlimm war`s nicht“
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