„Die schwerste Entscheidung meines Lebens“
Der frühere Fußball-Nationalspieler und HSV-Kapitän David Jarolím begründet im PZ-Gespräch sein plötzliches Karriereende
9. 7. 2014 - Text: Klaus HanischInterview: Klaus Hanisch; Foto: ČTK/Luděk Peřina
Ein Idol sagt Adieu. Drei Wochen vor Beginn der neuen Saison in Tschechien hat David Jarolím überraschend seinen Rücktritt verkündet. Der 35-Jährige spielte zuletzt für den FK Mladá Boleslav. Davor war Jarolím beim FC Bayern München und beim 1.FC Nürnberg, wo ihm der Durchbruch in der Bundesliga gelang. Seine Glanzzeit erlebte der laufstarke Mittelfeldspieler beim Hamburger SV, für den er ab 2003 in neun Jahren 339 Pflichtspiele absolvierte, am Ende auch als Kapitän der Mannschaft. Für HSV-Fans ist er daher ähnlich legendär wie Uwe Seeler. Im Exklusiv-Interview mit der „Prager Zeitung“ erläutert Jarolím seine Entscheidung.
Letzte Saison bestritten Sie bis auf eine Ausnahme jedes Spiel für Mladá Boleslav. Ihr Entschluss, jetzt Ihre Karriere zu beenden, kam daher für viele sehr plötzlich. Was sind die Gründe dafür?
Jarolím: Meine gesundheitlichen Probleme waren nicht so bekannt, aber seit der schweren Operation am Knie in Nürnberg vor knapp 15 Jahren habe ich gekämpft und gekämpft und es doch immer wieder geschafft zu spielen. Wenn man älter wird, wird es aber nicht einfacher. Ende der letzten Saison habe ich gemerkt, dass die Belastung für das Knie zu groß wird. Deshalb habe ich entschieden, jetzt endgültig aufzuhören.
Trotzdem ein schwerer Entschluss?
Jarolím: Sehr schwer. Wir haben eine Super-Saison gespielt und sind am Ende Dritter geworden. Nächste Woche bestreitet die Mannschaft die Qualifikation für die Europa-League. Im Winter ist mein Vater auch noch Trainer geworden. Das machte den Entschluss noch schwieriger. Von frühester Jugend an habe ich Fußball gespielt. Das war meine Arbeit, aber auch mein Hobby. Ich habe deshalb alles genau abgewogen, was dafür und dagegen spricht. Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens!
Wie hat Ihr Vater Karel diese Entscheidung aufgenommen?
Jarolím: Er war sehr enttäuscht. Ich habe eine Woche länger Urlaub bekommen als die anderen, um darüber nachzudenken. Mladá Boleslav hat mir angeboten weiterzumachen. Mein Vater hat damit gerechnet, dass ich weiterhin spiele. Gleichzeitig kannte er aber meine Probleme mit dem Knie. Deshalb respektiert er meine Entscheidung.
Welche Chancen geben Sie Mladá Boleslav nun auf internationalem Parkett ohne Ihre Hilfe?
Jarolím: Schwer zu sagen. Es sind einige neue Spieler gekommen, die die Qualität im Kader verbessern könnten, obwohl die Mannschaft auch jetzt schon über viel Erfahrung verfügt. Ich hoffe, dass der Verein die Qualifikation übersteht. Dafür braucht man allerdings auch etwas Glück und einen Gegner, den man schlagen kann.
Sie haben vor dem Ende Ihrer Karriere noch 39 Partien für Mladá Boleslav gespielt. Wie haben Sie die tschechische Liga im Vergleich zur Bundesliga erlebt?
Jarolím: Das kann man nicht vergleichen. Die Bundesliga steht auf einer Stufe mit den Top-Ligen in England und Spanien. Tschechien ist klein und wirtschaftlich nicht so stark wie Deutschland. Trotzdem gibt es auch in Tschechien viele gute Spiele während einer Saison. Aber zum Beispiel ist die Zuschauerkulisse in Deutschland phänomenal und kein Vergleich zu hier.
Und wie beurteilen Sie das spielerische Niveau der tschechischen Liga?
Jarolím: Es hat mich nicht überrascht und auch nicht enttäuscht. Ich kannte die Liga durch meinen Bruder, der hier jahrelang gespielt hat, und ich habe zuvor auch viele Spiele im Fernsehen gesehen. Noch einmal: Es ist nicht zu vergleichen mit den Top-Ligen. Obwohl das Land nicht so groß ist, gibt es aber international durchaus Erfolge. In der Europa League und sogar in der Champions League haben wir immer wieder einen Klub dabei gehabt.
Was bleibt als Erinnerung an Ihre lange Karriere?
Jarolím: Super Erinnerungen. Ich habe viele tolle Leute getroffen und viel mehr positive Aspekte als negative gesehen. Natürlich bleibt mir vor allem der Abschied in Hamburg vor dem letzten Spiel gegen Mainz im Jahr 2012 für immer im Gedächtnis. Das war sehr emotional.
Bleiben Sie jetzt in Tschechien oder gehen Sie wieder nach Deutschland?
Jarolím: Das kann ich noch nicht sagen. Wir haben in der Familie besprochen, dass wir zunächst ein paar Tage ausruhen und in Urlaub fahren. Dann sehe ich weiter.
In Hamburg ist Ihr Name noch immer legendär. Es war im Gespräch, dass Sie beim HSV als Jugendtrainer einsteigen. Gibt es eine entsprechende Vereinbarung?
Jarolím: Konkret nicht. Ich habe nur mit dem Manager Dietmar Beiersdorfer darüber gesprochen, der den HSV aber verlassen hat.
Und der gerade als neuer „starker Mann“ zum HSV zurückgekehrt ist.
Jarolím: Das ist richtig (lacht). Ich bin froh, dass er wieder dabei ist und ich würde mich freuen, wenn wir eines Tages wieder zusammenarbeiten. Der HSV ist meine Nummer eins in Deutschland, ohne Wenn und Aber. Ich beobachte jeden Tag, was im Verein passiert.
Der HSV wäre letzte Saison beinahe abgestiegen, außerdem rumort es gewaltig im Verein wegen neuer Strukturen. Beunruhigt Sie das nicht?
Jarolím: Ich beobachte das natürlich, war sogar in der Relegation beim Rückspiel in Fürth dabei und habe mitgezittert. So etwas will ich mit dem HSV nicht noch einmal erleben. Es ging in dieser unglaublich schweren Saison ja praktisch um die Existenz.
War es eine richtige Entscheidung, Ihre Karriere nicht in Deutschland zu beenden, sondern noch eineinhalb Jahre in Tschechien anzuhängen?
Jarolím: Ich würde es wieder so machen! Gerade in Mladá Boleslav. Das ist ein Verein, der von guten Leuten sehr solide geführt wird. Es war eine gute Erfahrung.
Wollte man Sie nicht sofort weiter in den Verein einbinden?
Jarolím: Es bleibt eine Option, aber jetzt ist es noch zu früh für eine Entscheidung.
Liegt Ihre Zukunft prinzipiell im Fußball, als Trainer oder Manager?
Jarolím: Ja, das ist mein Leben. Und es ist das, was mir auch am meisten Spaß macht. Als Trainer fehlt mir allerdings noch die Lizenz, damit würde ich gerne anfangen. Manchmal ist es ganz gut, mit kleinen Schritten zu beginnen und nach und nach Erfahrung zu sammeln. Dann sehen wir weiter.
Sie haben 29 Länderspiele für Tschechien absolviert und waren in den Aufgeboten für die WM 2006 und EM 2008. Wie gefällt Ihnen die WM in Brasilien?
Jarolím: Ich finde sie gut. Es gab viele interessante Spiele. Letztlich ist es so gekommen, wie man es sich denken konnte. Ich hatte Uruguay als Geheimfavorit auf der Rechnung, ebenso Belgien. Es war sehr eng für sie. Überhaupt waren die Spiele sehr ausgeglichen. Die Mannschaften, die ins Halbfinale kamen, hatten es sich aber verdient.
„So schlimm war`s nicht“
Die Messi-Show