Die teuersten Taxis der Welt
Ein junger Journalist kämpft gegen Touristenabzocke in Taxis und Wechselstuben – und macht sich damit Feinde in der Stadt
27. 1. 2016 - Text: Katharina WiegmannInterview: Katharina Wiegmann; Fotos: privat, Brad Hammonds
Zwischen Wenzelsplatz und Altstädter Ring liegen ungefähr vier Kilometer Autofahrt, will man auf den viel kürzeren Fußweg verzichten und sich ein Taxi gönnen. Rechnet man mit rund einem Euro pro Kilometer, die ein seriöses Unternehmen verlangt, dürfte der Preis am Ende – inklusive Startgebühr – nicht viel mehr als fünf Euro betragen. Janek Rubeš, Reporter beim Internet-TV-Sender Stream.cz, bezahlte im Selbstversuch 820 Kronen – umgerechnet knapp 30 Euro. Er hatte sich als amerikanischer Tourist ausgegeben, sein Team filmte mit versteckter Kamera. Mit einer Reihe von Videos dokumentierte Rubeš im vergangenen Jahr die betrügerischen Praktiken mancher Fahrer – aber auch die absurd hohen Gebühren vermeintlich seriöser Wechselstuben. Mit PZ-Redakteurin Katharina Wiegmann sprach der 28-Jährige über die Tricks, Gesetzeslücken und seine Mission: Rubeš will den Ruf seiner Stadt retten.
Sie wissen wahrscheinlich, wie man in Prag ein Taxi für einen vernünftigen Preis bekommt. Warum streiten Sie sich mit unehrlichen Fahrern herum?
Janek Rubeš: Ich mag es nicht, wenn Leute übers Ohr gehauen werden. Wenn ich etwas als unfair empfinde, versuche ich, etwas dagegen zu unternehmen. Touristen werden hier wie Tiere behandelt. Wir haben früher immer über den Eisernen Vorhang geschaut, die reichen Deutschen gesehen und gedacht, die haben das Geld, lass uns versuchen, so viel wie möglich davon abzu- bekommen. Diese Mentalität ist mir sehr zuwider. Nur weil jemand reicher ist als ich, heißt das nicht, dass ich mir dieses Geld nehmen kann. Außerdem ist niemand auf der Seite der Touristen.
Also haben Sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Rechte der Touristen zu verteidigen?
Ich verteidige mein Land und die Stadt, in der ich lebe. Jeder sollte gleich behandelt werden, egal ob Tourist oder nicht.
Gibt es einen Konsens in Prag, dass es nicht so schlimm ist, Touristen abzuzocken?
Im Zentrum und bei manchen Dienstleistungen ja. Zumindest sagen mir das die Taxifahrer oder die Angestellten in Wechselstuben.
Probleme mit unehrlichen Taxifahrern sind nichts Neues in Prag. Fehlt der politische Wille, die Situation zu ändern?
Ich bin mir sicher, dass man im Rathaus nicht mit der Situation zufrieden ist. Aber je größer das Unternehmen, oder in diesem Fall die Stadt, desto schwieriger ist es, Probleme zu lösen. Veränderungen passieren nur langsam. Erst gestern wurden Taxis kontrolliert und bei zwölf von zwölf Fahrern gab es etwas zu beanstanden. Auch wenn es komisch klingt: Das ist ein Erfolg. Bei einer früheren Kontrolle wurde von 20 Fahrten nur eine bemängelt. Es gab eine Person im Rathaus, die Informationen über Kontrollen an die Taxifahrer verkauft hat. Diese Person wird nun, auch dank unserer Videos, strafrechtlich verfolgt.
Die Fahrer haben offenbar eine starke Lobby und sind gut organisiert. Auf Ankündigungen neuer Tests und Regulierungen reagierten sie im vergangenen Jahr umgehend mit Demonstrationen, die den Verkehr in der Stadt lahmlegten.
In der Politik haben die Fahrer grundsätzlich keine starke Lobby. Das sind auch nicht unbedingt alles die klügsten Leute. Ihre Stärke ist, dass sie in der Stadt präsent sind, auf den Straßen, an den Kreuzungen – und das jeden Tag. Deine Stammkneipe wird dir auch deinen Platz freihalten, wenn du dort täglich bist, und zwar nicht nur, wenn du reserviert hast. Andere Leute müssen dann vielleicht sogar den Platz für dich räumen. So sehen die Taxifahrer die Stadt. Sie können es sich nicht vorstellen, dass sie einmal nicht mehr in der Pařížská-Straße am Altstädter Ring stehen. Sie fühlen sich, als würde die Stadt ihnen gehören.
Abgesehen von den Taxifahrern – was kann Touristen in Prag noch passieren?
Als erstes wechseln sie wahrscheinlich Geld zu einem schlechten Kurs. Der Wechselkurs der tschechischen Nationalbank hat lediglich informativen Charakter. Momentan ist ein Euro 27 Kronen wert. Wer 100 Euro wechseln will, sollte ungefähr 2.600 Kronen bekommen, wenn der Kurs fair ist. Wenn man in Restaurants oder Cafés mit Euro bezahlt, bekommt man weniger – vielleicht 23 bis 25 Kronen. Wechseln Touristen am Flughafen, erhalten sie lediglich 20 Kronen. In der Altstadt könnte es noch schlechter laufen, vielleicht werden nur 15 Kronen für einen Euro eingetauscht.
Ist das legal?
Absolut. Ich habe drei Episoden zu diesem Thema gedreht und dann damit aufgehört, weil ich so frustriert war, dass man nichts ändern kann. Wenn dieses Café hier 10.000 Kronen für ein Glas Wein verlangen würde, dann würden es früher oder später Pleite gehen. Das Problem haben die Wechselstuben nicht, es kommen ja immer neue Touristen. Vielleicht protestiert hin und wieder jemand, der nur 1.500 Kronen für 100 Euro bekommen hat, stellt sich eine Stunde vor die Tür und warnt andere. Die meisten wollen sich dafür aber nicht ihren Urlaub ruinieren. Viele Leute kennen den aktuellen Wechselkurs auch gar nicht.
Sind die Geschäftspraktiken der Taxifahrer vergleichbar?
Mit den Taxifahrern habe ich mich sehr intensiv beschäftigt. Die meisten Orte im Zentrum sind seit Jahrzehnten von bestimmten Fahrern besetzt, die verrückte Beträge von ihren Kunden verlangen. Wir sprechen tatsächlich von den teuersten Taxis der Welt. Offiziell sind die Taxis in Zürich am teuersten, dort werden ungefähr acht Euro für einen Kilometer verlangt. In Prag sind es derzeit zehn. Der Unterschied zu den Wechselstuben ist: Dagegen kann etwas getan werden. Der Preis ist offiziell auf ungefähr einen Euro pro Kilometer beschränkt, das ist das Maximum, das der Fahrer berechnen kann. Wenn Touristen in eine unangenehme Situation geraten, können sie die Polizei rufen.
Wie geht die Polizei damit um?
Die Fahrer betrügen seit 25 Jahren, sie wissen, wie sie sich in solchen Situationen retten. Wenn sie erwischt werden, haben sie ihre Tricks. Wir haben ein Taxi von der Karlsbrücke zu einem nahen Stadtviertel genommen, die Strecke betrug ungefähr drei Kilometer. Der Preis hätte also bei rund fünf Euro liegen müssen. Der Fahrer wollte 25. Ich zahlte und gab mich im selben Moment als Tscheche zu erkennen, der nur einen amerikanischen Touristen gespielt hatte. Ich sagte ihm, dass er zu viel berechnet hätte und ich die Polizei rufen würde. Er schubste mich aus dem Auto und fuhr weg. Selbst wenn die Polizei rechtzeitig gekommen wäre – sein Taxameter hatte er inzwischen umgestellt. Anstelle von 500 Kronen zeigte es auf einmal nur noch 50 Kronen. Das ist einer der Tricks. Die Fahrer überdecken einen Dezimalpunkt und wenn es zum Streit kommt oder die Polizei gerufen wird, taucht er wieder auf. Ich habe mir unser Video oft angeschaut und tatsächlich hat der Fahrer nie „500 Kronen“ gesagt. So kann er später behaupten, die Fahrt habe 50 Kronen gekostet und ich hätte ihm 450 Kronen Trinkgeld gegeben. Es gibt andere Tricks, aber das ist vielleicht der lustigste.
Der Vorsitzende der Taxi-Gewerkschaft hat mit Ihnen vor laufender Kamera unter anderem über seine Tricks zur Steuervermeidung gesprochen. Offensichtlich hat er keine Konsequenzen erwartet und war sich keiner Schuld bewusst. Wie ging die Geschichte weiter?
Dieser Mann nahm mich nicht für voll und dachte, ich drehe nur ein Video und das wäre alles. So war es aber nicht, ich wollte diese Typen wirklich drankriegen. Und wir waren relativ erfolgreich. Er und vier andere Fahrer wurden verhaftet, sie waren Teil einer Gruppe. Über sechs Monate haben die Polizisten unsere Sendung verfolgt. Die Fahrer wurden nach ein paar Tagen wieder freigelassen, werden jetzt aber wegen organisiertem Betrug belangt. Ich hatte ein Gespräch mit einem anderen Fahrer, der mir vorwarf, das Leben dieser Männer ruiniert zu haben. Ich teile diese Meinung nicht. Die Polizei hat sie verhaftet, weil sie Verbrechen begangen haben. Diese Leute haben durch ihre Betrügereien den Ruf unseres Landes weltweit zerstört.
Das sind sehr drastische Worte.
Wenn man etwas über Prag liest, geht es immer auch um die Taxis. Es sind vielleicht 100 Fahrer, die unehrlich sind, es ist wirklich nur ein kleiner Bruchteil. Warum sollten diese Leute Einfluss darauf haben, wie die ganze Welt auf ein Land schaut? Das ist lächerlich.
Sie haben die Fahrer mit Ihren Reportagen ziemlich wütend gemacht. Wurden Sie ernsthaft bedroht?
Ich bekomme das immer erst hinterher mit. Wenn jemand mich auf der Straße verfolgt hat, finde ich das am nächsten Tag raus. Direkte Drohungen gab es nicht viele und ich versuche, sie zu ignorieren, sonst könnte ich meine Arbeit nicht machen. Diese Leute versuchen natürlich, alles über mich herauszufinden und würden wohl nicht zögern, mir wehzutun, wenn sie mich alleine in einer dunklen Straße träfen. Im Allgemeinen sind die Drohungen aber eher subtil. Jemand ruft mich an und sagt mir, wie gut er meine Show finde. Ich müsse aber vorsichtig sein, diese Jungs könnten mir die Hand brechen. Den Satz habe ich schon unglaublich oft gehört. Aber wenn sie jemanden dafür bezahlen, mir die Hand zu brechen, biete ich ihm einfach das Doppelte dafür an, es nicht zu tun. Ich glaube nicht an Loyalität in diesem Milieu.
Wie schätzen Sie den Einfluss Ihrer Videos ein?
Wenn unsere Show dazu beitrug, Prag zu einem Ort mit weniger unehrlichen Taxifahrern zu machen, freue ich mich. Auch die Haltung der Fahrer hat sich geändert, sie haben mehr Angst und einen neuen Feind. Der bin nicht ich, das ist die Kamera und die Tatsache, dass Leute jetzt über ihre Machenschaften Bescheid wissen. Die Betrügereien waren schon früher bekannt, wir waren aber die ersten, die auch die Gesichter dazu gezeigt haben, die Orte, an denen sie sich aufhalten. Wir haben eine Geschichte aus dieser Gang gemacht.
Video-Reportagen von Janek Rubeš sind hier abrufbar.
Wie kann man sich als Tourist schützen?
Am günstigsten kommt man weg, wenn man sich ein Taxi telefonisch bestellt, oft helfen Hotels und Restaurants dabei. Zudem sollten Besucher sich auf eine der seriösen Firmen verlassen. AAA hat die größte Flotte und ist meist am schnellsten vor Ort, Face Taxi ist ein wenig günstiger, dafür muss besonders zu Stoßzeiten mit einer längeren Wartezeit gerechnet werden. Die ebenfalls etwas weniger verbreiteten Tick Tack Taxis liegen preislich auf dem Niveau von AAA. In Prag bieten außerdem viele Personen über die App Uber ihre Fahrdienste an. Bei herkömmlichen Taxis sollte das Taxameter laufen. Seriöse Firmen lassen ihre Fahrer keine Preise verhandeln und verschicken nach Fahrtende eine SMS mit den Kosten, die für die Fahrzeit angefallen sein sollten. Bei Wechselstuben gilt: vergleichen lohnt, die Kurse können sich stark unterscheiden. Am besten fragt man außerdem nach dem Gesamtbetrag, den man für eine bestimmte Summe erhält – auf diese Weise muss eine eventuelle Kommission vom Personal eingerechnet werden. Oft liegt hier der Haken bei besonders vorteilhaft erscheinenden Wechselkursen. Auf der Straße sollte ohnehin niemals getauscht werden, aber auch Wechselstuben greifen bisweilen noch immer auf einen alten Trick zurück: Unter einem Kronen-Schein verbergen sich im Geldstapel beispielsweise weißrussische Rubel. Unbedingt nach Erhalt das Geld zählen und daraufhin kontrollieren.
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