Die Zukunft des Wohnens
Die Galerie Kvalitař stellt innovative Architekturmodelle aus Berlin vor
11. 2. 2015 - Text: Katharina WiegmannText: Katharina Wiegmann; Foto: Andrew Alberts
Dass die Prager Kulturszene eine Schwäche für die deutsche Hauptstadt hat, zeigt sich auf unterschiedlichste Art und Weise. In Holešovice orientiert sich eine Galerie namens „Berlinskej model“ („Berliner Modell“) an Kunst-Konzepten aus Berlin-Mitte, Prager Cafés imitieren gerne den Stil von Kreuzberger In-Lokalen und Konzerte und Klubnächte mit Vertretern der deutschen Electro-Szene haben regelmäßig großen Zulauf. In der Galerie Kvalitař werden seit letztem Mittwoch Berliner Projekte aus dem Bereich innovativer Architektur vorgestellt. Und während in Deutschlands Metropole über alternative Bau- und Wohnmodelle seit längerem diskutiert und gestritten wird, sind sich die Kuratoren Helena Doudová und Marek Kopeć sicher: Baugruppe ist super! – so zumindest lautet der Titel der Ausstellung.
Eine Baugruppe basiert auf gemeinsamer Initiative von Architekten und den zukünftigen Bewohnern von Neu- oder Umbauten. Letztere sind beim Planungsprozess von Anfang an dabei und können ihre ganz eigenen Bedürfnisse und Wünsche von gemeinschaftlichem Leben und Arbeiten einbringen. So entstehen Häuser, die individuellen Lebenssituationen Rechnung tragen und mit den klassischen Grundrissen brechen. Durch die Eigentümerschaft wollen sich Baugruppen außerdem von der Preisentwicklung am freien Markt unabhängig machen.
Die Prager Schau stellt verschiedene Baugruppen-Projekte vor, zum Beispiel dasjenige in der Ritterstraße 50 in Berlin-Kreuzberg. Gestalterische Zurückhaltung dominiert diesen Neubau aus Beton und hellem Holz. Dachterrasse, Werkstatt und Waschraum werden gemeinschaftlich genutzt und fördern den Austausch unter Nachbarn. Die ausgestellten Projekte und Modelle sind vor allem für ein Fachpublikum interessant, dürften aber auch den interessierten Laien ansprechen. Anhand ausführlicher Broschüren sowie auch kurz gehaltener Erläuterungen auf Begleitblättern werden die Entstehungsgeschichten hinter den unkonventionellen Häusern im Detail beschrieben.
Dass auch in Prag Interesse an den Baugruppen besteht, wurde bei der Vernissage am vergangenen Freitag deutlich. Zahlreiche Besucher drängten sich schon kurz nach Türöffnung um die Modelle und diskutierten angeregt über die Zukunft der Stadtplanung. Das Konzept der Baugruppe mag hierzulande noch eher unbekannt sein, das Bedürfnis nach dauerhaft bezahlbarem Wohnraum, der individuelle Vorstellungen von Freizeit und Arbeit, Familie und Nachbarschaft berücksichtigt, dürfte aber auch unter tschechischen Großstädtern wachsen.
Baugruppe ist super! Inspirationen aus Berlin. Galerie Kvalitař (Senovážné náměstí 17, Prag 1), geöffnet: Mo.–Fr. 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei, bis 20. März 2015, www.kvalitar.cz
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