Dramatisches Finale
Sparta gewinnt das Pokalendspiel gegen Viktoria Pilsen im Elfmeterschießen und holt sich das Double
22. 5. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Viktoria Plzeň
Es war ein Bild mit Symbolcharakter: Viktoria Pilsens Mittelfeldspieler Milan Petržela liegt weinend in den Armen seines Kapitäns. Väterlich tröstet Pavel Horváth seinen Teamkollegen, indem er ihm zuspricht und mehrmals auf die Schultern klopft, doch Petržela schluchzt hemmungslos weiter. Dass Sportler nach einer großen Enttäuschung ihren Emotionen freien Lauf lassen, sieht man oft. Die Dauer und Intensität von Petrželas Leiden ist dennoch ungewöhnlich, hat seinen Grund aber im für ihn äußerst ungünstigen Spielverlauf. Sein Horrorabend endete mit einer 8:9-Niederlage nach Elfmeterschießen. Der verschossene Strafstoß des 30-Jährigen im 21. tschechischen Pokalfinale bescherte Sparta Prag am vergangenen Samstagabend das zweite Double seit Einführung einer eigenen Liga ohne die Slowakei und das insgesamt siebte der Vereinsgeschichte.
„Dasselbe kann jedem von uns schon im nächsten Spiel passieren. Niemand trägt Schuld“, gab Routinier Horváth nach Schlusspfiff zu Protokoll. Nationalspieler David Limberský fand kurz nach Spielende bereits wieder aufmunternde Worte für den Unglücksschützen. „Milan ist sehr traurig und zerknirscht. Aber er wird darüber hinwegkommen, denn er ist ein starker Junge“, sagte der Linksverteidiger mit einem Augenzwinkern. Sein Fehlschuss beim zehnten Pilsener Anlauf im Elfmeterkrimi war aber nicht der einzige Patzer, den sich Petržela an jenem Abend erlaubte. Fast noch schmerzlicher war, was in der dritten Minute der Nachspielzeit geschah.
Schweigen aus Protest
Das tschechische Pokalfinale war das Ebenbild seines deutschen Pendants – zur selben Zeit spielten Bayern München und Borussia Dortmund um den Titel. Im Prager Eden-Stadion standen sich die mit Abstand besten Vereinsmannschaften des Landes gegenüber, die auch in der Meisterschaft die Plätze eins und zwei belegen.
Sparta steht dabei seit zwei Wochen bereits als neuer Titelträger fest. Pilsen stahl dem Rekordmeister in den letzten Jahren jedoch regelmäßig die Schau, gewann die Liga in den Jahren 2011 und 2013 und sorgte auch auf internationalem Parkett in der Champions- und Europa-League für Aufsehen. Dementsprechend heiß waren die Spieler von Sparta-Coach Vítězslav Lavička auf das Double aus Meisterschaft und Pokal.
Das Finale begann unspektakulär. Wegen den vom Verband vorgesehenen neuen Hooligan-Maßnahmen, die bestimmte Rechte und Freiheiten aller Besucher von Fußballspielen beeinträchtigt, blieben die beiden Fanblocks die ersten 30 Minuten des Spiels aus Protest stumm.
Eine bizarre Atmosphäre für ein Endspiel. Irgendwie schienen sich die Akteure auf dem Feld davon anzustecken zu lassen. Die Begegnung war zunächst von viel Taktik und Kampf geprägt. Erst kurz vor der Pause kam Pilsens Jan Kovařík nach einem feinen Zuspiel von Horváth nahezu freistehend zum Abschluss. Allerdings war der Mittelfeldspieler von dieser Möglichkeit wohl genauso überrascht wie seine gegnerischen Abwehrspieler und zirkelte den Ball direkt in die Arme von Spartas Torhüter Tomáš Vaclík. 42 Minuten waren bis zu diesem Zeitpunkt gespielt. Kurz danach beförderte David Lafata auf der anderen Seite seinen Kopfball ebenso harmlos in Richtung gegnerisches Gehäuse. Von diesem Schlagerspiel hatten sich die rund 10.000 Zuschauer im nur halbvollen Eden-Stadion bestimmt mehr erhofft.
In der zweiten Halbzeit änderte sich die Szenerie schlagartig. Pilsen kam mit viel Energie und vielleicht auch etwas Wut über den abhandengekommenen Titel aus der Kabine. Die Sparta-Spieler machten hingegen den Anschein, als ob sie die Nachwehen der Meisterfeier spürten. Viel zu lethargisch überließen sie Pilsen das Spieldiktat. Und bei den Westböhmen führte Kapitän Horváth sein Team wie in besten Tagen. In den vergangenen Monaten setzte ihn der neue Trainer Dušan Uhrin des Öfteren auf die Ersatzbank. Im Pokalendspiel stand er in der Startelf. Und mit ihm kamen in den zweiten 45 Minuten auch die offensiven Ideen im Pilsener Spiel immer besser zur Geltung.
In der 53. Minute fiel der Ball nach einer unübersichtlichen Situation im Sparta-Strafraum Innenverteidiger Švejdík vor die Füße, der dann eindrücklich unter Beweis stellte, warum er als Torverhinderer angestellt ist und nicht als Stürmer. Aus nächster Nähe verpasste er das Ziel kläglich. Besser machte es Radim Řezník in der 74. Minute. Sein Distanzschuss wurde noch abgelenkt und schlug schließlich unhaltbar hinter Vaclík ein.
„Der Bessere hat verloren“
Nun erwachte Sparta. Doch die Bemühungen blieben im starken Pilsener Abwehrverbund stecken. Die Erlösung für den Rekordmeister ermöglichte Milan Petrželas erstes Missgeschick des Abends. Sein Handspiel im Strafraum nutzte Tomáš Hušbauer in der Nachspielzeit zum Ausgleich. Pilsen sah wie der sichere Sieger aus und musste nun in die Verlängerung. „Das tat richtig weh. Wir hatten mehrere gute Möglichkeiten und Sparta so gut wie keine. So hat am Ende die bessere Mannschaft verloren“, zeigte sich David Limberský frustriert. „Wir hatten etwas Glück, Viktoria war dem Sieg sehr nahe. Aber meine Jungs haben nie aufgesteckt und weitergekämpft“, verteidigte Spartas Trainer Lavička sein Team. In der Tat überzeugte Sparta in erster Linie durch seinen Siegeswillen. Wer will, kann auch hier den Bezug zum sprichwörtlichen Bayern-Dusel im deutschen Pokalfinale ziehen.
Am Ende entschied das Elfmeterschießen. Das wenig attraktive Spiel endete somit höchst dramatisch. Für Pilsen verschoss Václav Procházka gleich im ersten Versuch. Sein Torhüter Kozáčik bügelte dies gegen Spartas Švejdík wieder aus. Danach gab sich bis zum achten Versuch kein Schütze mehr eine Blöße. Hubník und Mareček setzten ihre Elfmeter nacheinander an den Pfosten. Dann lief Petržela an. „Ich wartete auf eine Bewegung des Torhüters, aber der blieb einfach stehen. Ich habe zu viel überlegt und dann war es zu spät“, so der ehemalige Augsburger. Sein schwacher Schuss wurde von Vaclík pariert. Der erst 22-jährige Pavel Kadeřábek setzte dem dramatischen Finale mit einem riskant ins hohe rechte Eck gezirkelten Abschluss ein würdiges Ende.
Und wieder jubelte Sparta. „Wir haben unsere Ziele erreicht. Das war für mich persönlich, genauso wie für den Verein, eine tolle Saison. Jetzt warten wir gespannt auf unsere nächste Aufgabe“, so der 25-jährige Neu-Nationalspieler Lukáš Vácha. Gemeint ist damit die Qualifikation zur Champions League. Wenn Sparta Prag weiter so abgebrüht auftritt und das Glück der Mannschaft hold bleibt, sollte das kein Wunschtraum bleiben.
„So schlimm war`s nicht“
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