Dukovany ist das neue Temelín
ČEZ stoppt Ausschreibung. Bekenntnis zur Atomenergie bleibt unangefochten
16. 4. 2014 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: APZ
Als ČEZ-Chef Daniel Beneš am Donnerstag vergangener Woche das Ende des Ausbau-Projektes verkündete, war dies nur der vorläufige Schlusspunkt einer Entwicklung, die sich seit längerer Zeit angebahnt hatte. In den vergangenen Monaten hatte die Führung des halbstaatlichen Energieriesen ČEZ mehrfach und zuletzt fast schon flehentlich an die Politik appelliert, den Temelín-Ausbau mit Staatsgarantien sicherzustellen – und stieß dabei bestenfalls auf vornehme Zurückhaltung. Als dann Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) am Mittwoch vergangener Woche zum ersten Mal Staatshilfen ganz klar ausschloss, blieb Beneš gar nichts anderes übrig, als die Notbremse zu ziehen: Ohne staatliche Garantien, so hatte er gebetsmühlenartig wiederholt, sei der Neubau zweier Blöcke unmöglich.
Die Entscheidung ist rein wirtschaftlich motiviert. Als der Wettbewerb um den Temelín-Ausbau ausgerufen wurde, stand der Strompreis an den Börsen bei rund 80 Euro für die Megawattstunde. Derzeit liegt er bei 32 Euro, und die weitere Preisentwicklung ist ungewiss. Um aber den lange geplanten Ausbau des südböhmischen Kraftwerks rentabel zu gestalten, bräuchte ČEZ einen Preis von über 70 Euro – eine Summe, für die der Staat angesichts leerer Kassen keine Garantie übernehmen wollte. Entsprechend nüchtern fiel die Reaktion der Politik aus.
Von einer „verständlichen“ und „nachvollziehbaren“ Entscheidung war nahezu quer durchs politische Spektrum die Rede. Ebenso einvernehmlich – mit Ausnahme der im Parlament nicht vertretenen Grünen – war jedoch gleichzeitig das grundsätzliche Bekenntnis der Parteien zur Atomenergie. „Zukünftig kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass Tschechien auf Atomkraft verzichten könnte“, stellte Sobotka klar. Gleichzeitig kündigte er an, sich für einen Ausbau des zweiten tschechischen Atomkraftwerks Dukovany „persönlich zu engagieren“.
Enttäuschung in Washington
Dass nun der zweite tschechische Meiler in der Nähe von Brünn in den Fokus rückt, kommt nicht von ungefähr: Die Laufzeit für Dukovany geht 2015 zu Ende, eine Verlängerung bis 2025 gilt zwar als relativ sicher, die weitere Entwicklung ist jedoch unklar. In elf Jahren werden darüber hinaus die meisten Kohlekraftwerke abgeschaltet; 2025 gilt deshalb als ein Schlüsseldatum. Das für diesen Zeitpunkt nicht auszuschließende Szenario – Dukovany und Kohlekraftwerke abgeschaltet, Temelín nicht ausgebaut – betrachtet die Mehrzahl der Energiepolitiker als Schreckensvision, ČEZ-Chef Beneš sprach von einer „Tragödie der tschechischen Energetik“.
Deutlicher als die Reaktionen der tschechischen Politiker fiel die des amerikanischen Botschafters in Prag, Norman Eisen, aus. Er sagte, die amerikanische Regierung sei von der Entscheidung des Unternehmens ČEZ „zutiefst enttäuscht“. Das amerikanisch-japanische Unternehmen Westinghouse war zuletzt neben dem tschechisch-russischen Konsortium MIR.1200 der einzige Mitbewerber um den Temelín-Ausbau.
Die Frage, wer einen eventuellen Dukovany-Ausbau bezahlt, bleibt noch offen. Zumal bei der Ungewissheit auf den Energiemärkten auch die Rentabilität dieser Mammut-Investitionen fraglich ist. Experten halten deshalb ein Engagement des Staates für unumgänglich. Das können Preisgarantien sein, oder aber der Bau von Reaktoren durch ein rein staatliches Unternehmen. „Das ist sicherlich eine mögliche Variante“, bestätigte Wirtschaftsminister Jan Mládek (ČSSD), der bis Ende des Jahres ein neues Atom-Konzept für Tschechien vorlegen soll.
Darauf hofft auch Václav Pačes, ČEZ-Aufsichtsrat-Vize und ehemaliger Vorsitzender der unabhängigen Energiekommission. Er ist überzeugt, dass die tschechische Regierung schließlich einlenkt und Garantien abgibt. „Diese Regierung ist neu und hat jetzt Angst, eine solche grundsätzliche Entscheidung zu treffen. Aber wenn sie sich die Hörner abstößt, wird das wieder Thema werden“, so Pačes gegenüber der Tageszeitung „MF Dnes“.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“