Ehrung für Winton
Britischer Kinderretter erhält höchste tschechische Staatsauszeichnung
21. 5. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: Česká centra
Zu seinem 105. Geburtstag ist Sir Nicholas Winton, der vor dem Zweiten Weltkrieg 669 tschechischen und slowakischen Kindern das Leben rettete, mit besonderen Geschenken bedacht worden. So erschien am Montag eine Biographie von Barbara Winton, in der sie die „faszinierende Geschichte“ ihres Vaters erzählt. Vier Jahre hat sie für „If it’s Not Impossible…“ gebraucht. Der Buchtitel gibt das Lebensmotto des Engländers wieder: „Auch wenn etwas unmöglich erscheint, es gibt immer einen Weg.“
Wie groß der Respekt für Winton noch 75 Jahre nach dessen Rettungsaktion bei den Tschechen ist, zeigte sich vor allem in Prag. Regisseur Matej Mináč, der bereits drei Filme über den „britischen Schindler“ drehte, lud vor allem Studenten ins Kino Lucerna ein, um „Thank you, Mr. Winton“ zu sagen. Zuvor hatte Verteidigungsminister Martin Stropnický auf der Kampa-Insel eine Ausstellung mit Fotografien der von Winton geretteten Kinder eröffnet. Und auf der Prager Burg verkündete Staatspräsident Miloš Zeman, dem Jubilar am 28. Oktober die höchste Auszeichnung des Landes verleihen zu wollen – den Orden des Weißen Löwen. Bereits 1998 war Winton von Václav Havel mit dem Masaryk-Orden ausgezeichnet worden.
„In die Geschichte gehen vor allem diejenigen ein, die nie im Sinn hatten, berühmt zu werden und die ihre Taten gar nicht als außergewöhnlich ansehen“, heißt es in Zemans Schreiben. Wintons Geschichte stünde seiner Ansicht nach für Menschlichkeit, Selbstlosigkeit und Wagemut.
Dass es Winton – der als Sohn nach London ausgewanderter deutscher Juden zweisprachig aufwuchs und in den zwanziger Jahren in Berlin und Hamburg als Bankangestellter arbeitete – nie um Ruhm und Ehre gegangen war, zeigt die Tatsache, dass sein 1939 gefasster Entschluss erst ein halbes Jahrhundert später an die Öffentlichkeit gelang. 1988 entdeckte seine Ehefrau auf dem Dachboden Dokumente, die offenlegten, was er vor Kriegsausbruch organisiert hatte.
Nach der Reichspogromnacht im November 1938, die für viele den Beginn des Holocaust mit sechs Millionen ermordeten Juden markiert, war in Großbritannien ein Gesetz für Kinder unter 17 Jahren verabschiedet worden. Es erlaubte die Ausreise von Kindern, die laut den „Nürnberger Rassegesetzen“ als „jüdisch“ galten, aus dem Deutschen Reich nach Großbritannien.
Winton suchte in seiner Heimat nach Adoptiveltern, sammelte Geld für Visa und Reisekosten. Hunderte Kinder aus dem damaligen „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ gelangten ins sichere England, oftmals waren sie die einzigen aus ihren Familien, die den Holocaust überlebten. Zwischen dem 14. März und 2. September 1939 organisierte Winton insgesamt acht Züge für die Kindertransporte. Am 3. September sollten noch einmal 250 Kinder die Reise in die Freiheit antreten, doch der Zug fuhr nicht los – Großbritannien hatte Deutschland den Krieg erklärt.
Nicholas Winton, im Jahr 2002 von Königin Elisabeth II. für seine Verdienste um die Menschlichkeit zum Ritter geschlagen, feierte seinen Geburtstag am Montag in der Tschechischen Botschaft in London – mit mehr als 20 von ihm geretteten „Kindern“. „Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Leute von so weit herkommen, nur um mich zu sehen“, zeigt sich Winton auch im hohen Alter bescheiden. Seine Tochter Barbara schreibt in ihrem Buch, die organisierten Kindertransporte stellten im Leben von Nicholas Winton „nur einen kurzen Zeitraum dar, aber einen ganz entscheidenden für diejenigen, die gerettet wurden.“
Insgesamt leben über 6.000 Menschen auf der Welt, die dem Briten ihr Leben verdanken – die Kinder von damals und deren Nachkommen. Schüler eines Prager Gymnasiums sind der Meinung, dafür habe er den Friedensnobelpreis verdient, und starteten eine Petition. Über 250.000 haben sie bisher unterzeichnet. Wie bereits im Vorjahr gehört Winton zu den Nominierten.
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten