Ein Ausflug in den Wilden Westen

Ein Ausflug in den Wilden Westen

Das Náprstek-Museum begibt sich auf die Spuren Karl Mays

17. 7. 2013 - Text: Christian Müller-BreitenkampText: Christian Müller-Breitenkamp; Foto: CCC-Film

 

Freiheit, Abenteuer, klickende Colts und knisternde Lagerfeuer – dies sind die Attribute, welche die weltberühmten Romane von Karl May auszeichnen. Mit seinen Büchern schuf der deutsche Autor zwar ein verklärtes Idealbild einer fremden Welt, doch auf viele Menschen übten sie genau deswegen eine ganz besondere Faszination aus. Maßgeblich verantwortlich für Mays Erfolg sind die vermutlich bekanntesten Blutsbrüder der Literaturgeschichte: Winnetou und Old Shatterhand. Durch ihre romantisierten Wild-West-Geschichten erlangten die beiden Kultstatus, der bis heute anhält. Grund genug für das Náprstek-Museum, dem 1842 geborenen Schöpfer, seinen Geschichten und ihren Helden eine Ausstellung („Auf den Spuren von Karl May“) zu widmen.

Ein wichtiges Charakteristikum der May’schen Werke sind die fiktionalen Charaktere, die sich vor allem durch übermenschliche Kräfte und Fertigkeiten auszeichnen. Old Shatterhand selbst ist dafür das beste Beispiel. Er ist der Inbegriff des allwissenden und unfehlbaren Helden, in dessen Figur sich sein Erfinder selbst sieht. Dies machte Mays Romanfiguren nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland schnell derart beliebt, dass bereits sein Frühwerk in andere Sprachen übersetzt wurde. Das erste auf Tschechisch erschienene Buch war „Der Sohn des Bärenjägers“, welches Josef Richard Vilímek 1890 veröffentlichte.

Konstruiertes Ideal
Der handschriftliche Vertrag zwischen dem Autor und dem tschechischen Verleger ist in der Schau ebenso zu sehen wie private Aufzeichnungen und Bücher Karl Mays. Besonders beeindruckend ist, dass der Autor das Bild des Wilden Westens, das er in seinen Erzählungen erschuf, allein auf der Grundlage seiner umfangreichen Bibliothek und seiner Notizen zeichnete – er selbst hat diese Welt bekanntermaßen nie gesehen.
Außerdem sind allerlei Exponate zu bestaunen, die man in einer Indianerausstellung erwarten kann und die dem von May konstruierten Ideal entsprechen: mit Perlen verzierte Mokassins, Friedenspfeifen, Schmuckstücke, Colts, Gewehre und schmucke Federkränze.

Ähnliche an Ethnologie-Ausstellungen orientierte Gegenstände aus der Nilregion und von der Arabischen Halbinsel warten am Bethlehemplatz auf die Besucher. Jene damals als exotisch empfundenen Orte waren ebenfalls Schauplatz einiger Karl-May-Romane, so zum Beispiel sein Werk „Reiseerinnerungen aus dem Türkenreiche“.
Ein kleines Highlight der Ausstellung sind selbst gebastelte Winnetou-Fanartikel aus Tschechien. Die erfolgreichen Verfilmungen der Romane in den Sechzigern begründeten hierzulande einen wahren Winnetou-Boom, der 20 Jahre lang anhielt und zum Teil bis heute spürbar ist. Weil es in der sozialistischen Tschechoslowakei damals keine Fanartikel gab, entstand vieles in Handarbeit, entweder zu Hause oder in „Workshops“. Häufig im Umlauf waren Schwarz-Weiß- oder Farbbilder aus den Film-Klassikern, die unter Kindern und Jugendlichen getauscht wurden und in der Fangemeinde sogar als Zahlungsmittel galten.

Auf den Spuren von Karl May. Náprstek-Museum (Betlémské náměstí 1, Prag 1),geöffnet: Di.–So. 10–18 Uhr, Eintritt: 80 CZK (ermäßigt 50 CZK, bis 27. Oktober