Ein Container für alle Gelegenheiten

 

In der Cihelná-Straße, auf dem Weg von der Prager Burg in Richtung Karlsbrücke gelegen, tummeln sich deutlich mehr Touristen als Einheimische. Neben dem Franz-Kafka-Museum, inmitten der vielen Hotels und Restaurants, die mehrsprachig und schrill für die böhmische Küche werben, findet sich in einem Hinterhof jedoch ein Ort, der so gar nicht in die Touristenkulisse passt: Das Containall ist Bar, Galerie und Plattform für kreatives Bürgerengagement.

Neugierige, die an einem sonnigen Tag einen Abstecher wagen, werden belohnt. Hier stehen bunt zusammengewürfelte Flohmarkt-Möbel, bequeme Liegestühle mit spektakulärem Blick auf Moldau und Karlsbrücke, Tischtennisplatten, Kräutergärten. Herzstück ist ein ausrangierter Frachtcontainer, umfunktioniert zur Bar mit Sonnenterrasse und Ausstellungsraum.

David Skála, einer der Initiatoren des Projekts, hat die Nutzung von Containern im öffentlichen Raum auf Reisen für sich entdeckt. Nach Hurrikan Katrina dienten Container in New Orleans als Wohnprovisorien. Seither wird die Schachtel-Architektur dort auch immer öfter kulturell genutzt, für Bars oder Galerien. Nach seiner Rückkehr steckte Skála drei Freunde mit seiner Begeisterung für die Fracht-Boxen an und im Januar 2013 begann die aktive Suche nach einem passenden Ort in der tschechischen Hauptstadt. Der ursprüngliche Wunsch nach dem Standort Letná-Park scheiterte an der Bürokratie. Schließlich war Oberbürgermeister Tomáš Hudeček höchstpersönlich behilflich und ermöglichte die Nutzung des Hinterhofes eines leerstehenden Bürogebäudes auf der Kleinseite. Im Juli 2013 konnte am heutigen Standort Eröffnung gefeiert werden.

Von Frustration über den so eher zufällig gefundenen Standort ist bei den Machern nichts zu spüren. Jan Faltys, der im vierköpfigen Team für das Musik-Programm und die Technik zuständig ist, freut sich über die Mischung aus Touristen und Pragern, die an einem solchen Ort möglich wird: „Das macht Containall zu einem offenen Ort, der altersmäßig nicht zu homogen wird.“

Wie um die Worte des 25-Jährigen zu unterstreichen, beginnt in diesem Moment eine Gruppe älterer Italienerinnen auf der Dachterrasse des Containers zu tanzen – Rock schallt aus den Boxen. Ein Stockwerk tiefer wird am großen Fenster jeder Gast auch auf Englisch freundlich bedient und beraten. Serviert wird fair gehandelter Kaffee, das beliebte Pater-Bier aus der Brauerei Černá Hora, tschechischer Cider sowie ein wechselndes Angebot an Kuchen und Baguettes, oft vegan oder vegetarisch, alles selbstgemacht von Freunden des jungen Teams.

Die Unterstützung lokaler Ini­tiativen liegt den Mittzwanzigern am Herzen. Im Containall werden etwa Produkte kleiner Prager Start-up-Unternehmen verkauft. Die wechselnden Veranstaltungen haben einen gemeinsamen Nenner: Sie möchten die Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements in der Stadt zeigen und fördern. „Containall bietet anderen NGOs eine Plattform“, erklärt Jan, der eigentlich Internationale Beziehungen studiert. Im Juni haben sich hier sozial tätige Vereine wie „Jako Doma“ und „Pragulic“ präsentiert. Beide arbeiten mit Obdachlosen in Prag. Eine Foto-Ausstellung zum Thema ziert die Hofmauern. Das Programm der nächsten Monate steht noch nicht ganz fest, für Juli sind aber vor allem Kooperationen mit Kulturinitiativen geplant.

Filmabende, Diskussionen, Gärtnerworkshops, Flohmärkte – im Hinterhof der Cihelná-Straße 4 ist grundsätzlich alles möglich und das Team freut sich über Vorschläge und Ideen. „Bis jetzt sind es eher wir, die an andere herantreten“, erzählt Jan, „es wäre schön, wenn sich das demnächst ändert.“ Wie steht es überhaupt um die Zukunfts­planung für Containall? Das Grundstück in bester Lage ist auch für Investoren interessant. Jan hofft auf mindestens zwei weitere Jahre am Flussufer. Es ist der engagierten Gruppe nur zu wünschen – ebenso wie den Pragern und allen zufälligen Besuchern, denen sich hier ein Erlebnis jenseits der mittelalterlichen Fassaden der Goldenen Stadt bietet.

Containall (Cihelná 4, Prag 1), geöffnet: täglich von 13 bis 23 Uhr (nur bei gutem Wetter), Informationen zum Programm unter www.containall.org