„Ein Handschlag in Prag reicht nicht aus“
Bayerns Opposition beklagt Stillstand in den Beziehungen zu Tschechien
9. 1. 2013 - Text: Petr JerabekText: Petr Jerabek; Foto: Arne Müseler
Es ist ein miserables Zeugnis, dass die Opposition der bayerischen Regierung in puncto Pflege der Beziehungen zu Tschechien ausstellt. Zwar gelten die beiden Prag-Reisen von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) als dessen wichtigste außenpolitische Tat, dennoch werfen Bayerns Oppositionsparteien der schwarz-gelben Koalition schwere Versäumnisse im Umgang mit dem Nachbarland vor. Insbesondere in der Energiepolitik, beim Ausbau der Infrastruktur und der Förderung des Tschechisch-Unterrichts sehen SPD, Grüne und Freie Wähler enormen Nachholbedarf.
Gleich nach seinem Amtsantritt 2008 hatte Seehofer in einer Regierungserklärung angekündigt, „einen neuen Schritt auf unseren Nachbarn Tschechien“ zugehen zu wollen. Die bayerisch-tschechischen Beziehungen sind durch den Streit über die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg belastet. Nach intensiven Vorbereitungen reiste Seehofer im Dezember 2010 offiziell nach Tschechien – als erster bayerischer Ministerpräsident überhaupt. Ein zweiter Besuch folgte knapp ein Jahr später.
„Große Defizite“
Dennoch beklagt die Opposition Stillstand in den Beziehungen. Seehofers Prag-Besuche seien „überfällig und richtig“ gewesen, sagt Grünen-Landeschef Dieter Janecek. „Aber uns fehlt eine richtige strategische Partnerschaft mit Tschechien.“ Der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, mahnt, es müsse auch über die Besuche des Regierungschefs hinaus „die ganz normale grenzüberschreitende Arbeit“ vertieft werden. Es gebe große Defizite auf dem Weg zu einer unverkrampften Zusammenarbeit.
Mit einem Handschlag in Prag sei es nicht getan, meint auch Bayerns SPD-Chef Florian Pronold. Er wirft Seehofer vor, die Entspannungsbemühungen zu vergessen, sobald er bei den Heimatvertriebenen spreche. Das sei keine konsistente Politik. Deutlich mehr tun müsste die Staatsregierung laut Pronold beispielsweise dafür, dass auf bayerischer Seite Tschechisch gelernt wird: „Dass man Tschechisch in der Region als zweite Fremdsprache oder als freiwilligen Zusatzunterricht anbietet, weil das Zukunftsperspektiven schafft für Arbeitnehmer, Handwerk und Mittelstand.“ Das habe die Regierung „verschlafen“.
Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) widerspricht entschieden: Bayern habe Tschechisch als Unterrichtsfach in allen Schularten verankert, betont er. „Die Freundschaft zu Bayerns tschechischen Nachbarn wollen wir weiter vertiefen.“ Die Sprache stehe für ihn dabei im Mittelpunkt. Europaministerin Emilia Müller (CSU) verweist darauf, dass beispielsweise an 70 Prozent der Realschulen in der Oberpfalz Tschechisch als Wahlunterricht angeboten werde. Der Opposition wirft sie Ahnungslosigkeit vor. „Die bayerisch-tschechischen Beziehungen entwickeln sich äußerst dynamisch“, sagt die Ministerin. Seehofers Tschechien-Reisen seien nicht der Anfang der bilateralen Beziehungen, sondern deren Krönung gewesen. „Durch die Besuche hat sich auch auf der höchsten politischen Ebene die Atmosphäre entspannt.“
„Totale Fehlentwicklung“
Besonders schwerwiegende Defizite sieht die Opposition in der Infrastruktur. „Ein großes Versäumnis“ der Staatsregierung ist nach Auffassung von SPD-Landeschef Pronold beispielsweise, dass die Bundesstraßen im Grenzgebiet nicht ausgebaut würden, obwohl sie unter den Verkehrsströmen zusammenbrächen: „Der Güterverkehr nimmt dort exorbitant zu und die Weichenstellung zum Ausbau ist bis heute nicht erfolgt.“ Dem Grünen-Landesvorsitzenden Janecek ist vor allem die schlechte Schienenverbindung nach Prag ein Dorn im Auge: Beim Bahnstrecken-Ausbau in Richtung Tschechien sei seit der deutschen Wiedervereinigung „nichts passiert“.
Unzufrieden mit der Bahnverbindung ist auch die Koalition, sieht dabei aber vor allem den Bund in der Pflicht. Für diesen gebe es „noch viel zu tun im Bereich der grenzübergreifenden Infrastruktur“, sagt Vize-Ministerpräsident Martin Zeil (FDP). Bayern und Tschechien hätten vor wenigen Monaten mit einem Memorandum ein „klares gemeinsames politisches Zeichen“ an die Adresse des Bundes gesetzt, „dem Ausbau des Schienenverkehrs noch mehr Priorität einzuräumen“. Europaministerin Müller fordert, der Bund müsse „endlich in die Gänge kommen“.
Der oberste Repräsentant der Sudetendeutschen, Bernd Posselt, bezeichnet den Zustand der Bahnverbindungen zwischen Bayern und Tschechien als völlig inakzeptabel. Es sei eine totale Fehlentwicklung, statt eines Zugs einen „als Intercity angestrichenen Bus hin- und herfahren zu lassen“. Die Kritik der Opposition an den bayerisch-tschechischen Beziehungen weist er aber entschieden zurück: Sie seien „in großem Schwung“. Probleme sieht der CSU-Europaabgeordnete auf tschechischer Seite: „Da gibt es ein hohes Maß an Instabilität“, sagt Posselt und verweist auf die zahlreichen Rücktritte von Ministern in Prag. Der Gegenbesuch von Premier Petr Nečas (ODS) in München sei fertig geplant gewesen, aber im letzten Moment wegen eines Misstrauensvotums im Parlament abgesagt worden. „Wir hoffen, dass er in den ersten Wochen des Jahres nachgeholt wird.“
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