Ein Leben zwischen Spiritualität und Atheismus
Der Philosoph und Theologe Tomáš Halík erhält den renommierten Templeton-Preis
19. 3. 2014 - Text: Maria SilenyText: Maria Sileny; Foto: ČBK
Er gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten Tschechiens: der Prager Philosoph, Soziologe, Theologe und katholische Priester Tomáš Halík. Der 65-Jährige ist nun der erste Tscheche, der mit dem internationalen Templeton-Preis geehrt wird. Die Auszeichnung, nach ihrem Gründer, dem Briten John Templeton benannt, wird für besondere Leistungen an der Schnittstelle zwischen Religion und Wissenschaft verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern gehören etwa der südafrikanische Bischof Desmond Tutu, der Dalai Lama oder Alexander Solschenizyn.
Tomáš Halík, Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie, Rektor der Prager Universitätskirche St. Salvator und Professor für Religionswissenschaft an der Karls-Universität holt nun den angesehenen Preis ausgerechnet nach Tschechien, das für sein atheistisches Klima bekannt ist. „Für viele ist das sicher überraschend“, sagt er dazu, „denn sie meinen, dass der Kommunismus die geistliche Dimension unserer Kultur und die christliche Tradition zerstört hat und dass wir ein atheistisches Land sind.“ Er selbst jedoch sieht es anders: „Bei uns wird Abstand zu den Kirchen gehalten, doch wir sind keineswegs ein geistlich unmusikalisches Land.“
Der Gottesdienst, den Halík am Sonntag nach der Preisernennung hielt, mag dies unterstreichen: In der Salvatorkirche nahe der Karlsbrücke fiel kein Wort über die internationale Ehrung. Dafür segnete der Priester gemeinsam mit dem Prager Weihbischof Václav Malý 80 junge Menschen, die sich auf die Taufe vorbereiten wollen.
Die Freunde Halíks schätzen ihn als einen Menschen des Dialogs, der insbesondere junge Menschen und Intellektuelle ansprechen kann. Seine Gegner hingegen werfen ihm gezielte öffentliche Selbstinszenierung vor. Für den Templeton-Preis wurde der Geistliche von einer Jury ausgewählt, in der neun Vertreter verschiedener Weltreligionen sitzen. Der Tscheche erhält die Auszeichnung einerseits dafür, dass er während der kommunistischen Diktatur in seinem Land unerschrocken Gedanken der Demokratie und geistiger Freiheit verbreitete. Andererseits für den Dialog mit anderen Religionen und dem Atheismus, den er seit der Samtenen Revolution 1989 pflegt und fördert. Er selbst ist der Ansicht, die „Kultivierung der Spiritualität“ sei unerlässlich für das Leben der Gesellschaft.
Der 1948 geborene Halík stammt aus einem intellektuellen, eher kirchenfernen Elternhaus. Die Atmosphäre seiner Kindheit beschrieb er in einem Interview als eine „Grauzone zwischen Glaube und Humanismus“. Seine Entscheidung, Priester zu werden, verbindet er mit dem Tod Jan Palachs, der sich nach dem Prager Frühling aus Protest gegen die sowjetische Besetzung in Brand setzte. Damals, als Student, hat Halík das Requiem für den Märtyrer mitorganisiert und trug seine Totenmaske über die Karlsbrücke zum Gottesdienst. „Mit Palach im Herzen“ überlegte er, was er selbst für das Land tun könnte. Und entschied, Priester zu werden – in einer Zeit, da ein solcher Schritt ebenfalls einen Märtyrertod bedeuten konnte. Die geheime Priesterweihe empfing Tomáš Halík 1978 in Erfurt.
Nicht einmal seine Eltern wussten davon. An seinen ersten Konflikt mit dem kommunistischen Regime erinnert sich Halík so: 1972 sollte er als Doktorand vor Mitstudenten Dankesworte an die Kommunistische Partei vorlesen. Er entschied sich jedoch, eine freie Ansprache zu halten über die „Verbindlichkeit der Wahrheit“. Und schloss mit einem Zitat Karel Čapeks: „Die Wahrheit ist stärker als die Macht, weil sie dauerhaft ist.“ Das war das vorläufige Ende von Halíks Universitätskarriere, die er erst nach 1989 wieder aufnehmen konnte.
Nach dem Ende des Kommunismus fand der Geistliche zu einer neuen Aufgabe innerhalb der atheistischen Gesellschaft Tschechiens: dem Dialog zwischen Glauben und Unglauben. Zwischen Gläubigen und Ungläubigen zu trennen, hält der Professor für überkommen. Vielmehr gebe es eine Trennlinie zwischen Suchenden und Gleichgültigen. Eine bunte Schar Fragender begegne ihm. Ganz gleich, ob sie sich selbst als Atheisten oder Gläubige oder irgendwo dazwischen sehen, sie alle verbindet die Frage nach dem Sinn.
Sein ganzes Schaffen, ob als Priester, als Pädagoge oder als Schriftsteller, gehöre Menschen, die geistig unterwegs sind, sagt Halík. Ein „Suchender mit den Suchenden“ will er sein. Ohne vorgefertigte Antworten oder vermeintliche Sicherheiten zu bieten. Halíks zahlreiche Publikationen zu diesen Themen haben längst weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Seine Werke wurden in fast alle Weltsprachen übersetzt, auch ins Türkische und Chinesische. Sein Buch „Geduld mit Gott“ wurde 2009 zum besten theologischen Buch Europas gekürt.
Den mit umgerechnet 1,3 Millionen Euro dotierten Templeton-Preis, der im Mai in London verliehen wird, will Halík vor allem für die Aktivitäten des neu eingerichteten Dialoginstituts der Tschechischen Christlichen Akademie verwenden. Das Institut wird, so Halík, den ökumenischen und interreligiösen Dialog unterstützen, auch den zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Es soll außerdem gegen Missbrauch von Religionen zur Verbreitung von Hass und Gewalt auftreten. Und Respekt und Toleranz fördern.
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