Ein Pieks für das Gemeinwohl
Urteil des Verfassungsgerichts: Kindergärten dürfen auf Impfpflicht beharren
5. 3. 2015 - Text: Katharina WiegmannText: kw/čtk; Foto: Creative Commons
In Deutschland wurde in der vergangenen Woche viel über Impfungen diskutiert. Anlass bot eine winterliche Masern-Welle: Allein in Berlin erkrankten bis Ende Februar mehr als 500 Kinder. Möglicherweise resultieren diese Zahlen auch daraus, dass sich immer mehr Eltern gegen die medizinische Vorsorge gegen Infektionskrankheiten entscheiden. Insgesamt sind die Impfraten jedoch nach wie vor hoch. Ungefähr 90 Prozent der Eltern lassen ihre Kinder laut einer Statistik des Robert-Koch-Instituts gegen Mumps, Masern und Röteln impfen.
In Tschechien sind sogar 95 Prozent der Kinder immunisiert. Die Impfung gegen bestimmte Erkrankungen – neben den bereits genannten zählen dazu auch Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hepatitis B und Influenza B – ist hierzulande für Kinder gesetzlich vorgeschrieben.
Dennoch gibt es kontroverse Diskussionen um die Pflichtimpfungen. Am Montag bezog das Verfassungsgericht zum wiederholten Male Position und wies die Beschwerde einer Mutter aus dem Kreis Třebíč zurück, die vor allem die Impfung ihres Sohnes gegen Hepatitis B ablehnte und deshalb von zwei Kindergärten abgewiesen wurde. Bereits eine Woche zuvor hatte das Gericht Kindergärten das Recht eingeräumt, die Aufnahme von Kindern abzulehnen, sollten diese nicht geimpft sein. Außerdem können Geldstrafen bis zu 10.000 Kronen (etwa 360 Euro) verhängt werden, sollten Eltern die Immunisierung verweigern. Sein Urteil begründete das Gericht mit einem Akt „sozialer Solidarität“. „Wenn jemand Teil einer Gemeinschaft ist, sehen wir eine solidarische Pflicht darin, dass er nicht nur von den Vorteilen profitiert, die sich daraus ergeben, dass alle anderen geimpft sind“, so der Sprecher des Gerichts Jaroslav Fenyk am Montag.
Der Hygieniker Vladimír Valenta begrüßte diese Entscheidung und erinnerte daran, dass dank der Impfungen jährlich 500 Kinder gerettet und weitere 150.000 gar nicht erst erkranken würden. Demgegenüber stehen durchschnittlich vier bis fünf schwerwiegende Erkrankungen in Folge der Injektionen. Dass wesentlich mehr Personen unter Nebenwirkungen leiden, möchte auch Valenta nicht bestreiten, der soziale Nutzen würde gegenüber den unangenehmen Effekten aber deutlich überwiegen.
Dennoch plant das Gesundheitsministerium, Familien künftig zu entschädigen, sollte die Impfung gesundheitsschädigende Folgen haben. Einen weiteren Entwurf zur Ergänzung des umstrittenen Gesetzes zur Impfpflicht wollen Abgeordnete der Partei TOP 09 in der kommenden Woche im Parlament zur Abstimmung vorlegen. Demzufolge sollen künftig auch alternative Impfmittel zugelassen werden, solange sie offiziell registriert sind. Mit individuellen Impfplänen beabsichtigen die Verfechter der Novelle, besser auf die Bedürfnisse einzelner Kinder einzugehen. Insgesamt soll durch diese Maßnahmen die gesellschaftliche Akzeptanz des verpflichtenden Arztbesuchs mit dem Nachwuchs erhöht werden.
Nach derzeitiger Gesetzeslage drohen Kindergärten, aber auch Reiseveranstaltern oder Vereinen hohe Geldstrafen, wenn sie nicht ordnungsgemäß geimpfte Kinder aufnehmen. „Anstatt die Vorteile zu erklären, verhängt der Staat bislang lediglich Strafen und sondert die Ungeimpften aus – auf diese Weise wird es aber nicht gelingen, die Impfraten zu erhöhen,“ kritisiert der TOP-09-Abgeordnete Jan Farský die bisherige Politik.
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