„Eine erhabene Gesellschaft“
Interview

„Eine erhabene Gesellschaft“

Jakub Hrůša ist neuer Chefdirigent der Bamberger Symphoniker

27. 9. 2016 - Interview: Jan Nechanický, Titelbild: Andreas Herzau

Jakub Hrůša ist einer der vielversprechendsten Dirigenten der Gegenwart. Seine Ausbildung erhielt er an der Prager Akademie der musischen Künste, unter anderem bei Jiří Bělohlávek, dem Chefdirigenten der Tschechischen Philharmonie. Er gastiert regelmäßig bei den bedeutendsten Orchestern der Welt. Ab diesem Herbst steht der 35-Jährige den Bamberger Symphonikern als neuer Chefdirigent vor.

Sie haben die Bamberger Symphoniker in der Vergangenheit bereits mehrfach geleitet. Freuen Sie sich oder sind Sie eher nervös?
Ich freue mich sehr. Derzeit arbeite ich schon mit dem Orchester zusammen. Gemeinsam mit Albrecht Mayer – dem zurzeit möglicherweise besten Oboisten der Welt – nehmen wir eine CD für das Plattenlabel Deutsche Grammophon auf. Ich muss jedoch zugeben, dass ich aus künstlerischer Sicht froh bin, wenn ich die offizielle Einführung hinter mich gebracht habe. Sie ist ja auch mit vielen nicht-musikalischen Verpflichtungen verbunden. Danach können wir uns ganz den künstlerischen Fragen widmen.

Welche Aufgaben erwarten Sie?
Außer meinem dreijährigen Engagement bei „Glyndebourne on Tour“ bedeutet das Engagement vor allem meine erste große Auslandserfahrung als Chefdirigent. Ich werde versuchen, Deutsch zu sprechen. Es ist meine zweite Fremdsprache, die ich zwar beherrsche, bisher aber wenig benutzt habe. Zweitens will ich alle Aspekte verstehen, die den Betrieb einer deutschen Musikinstitution ausmachen. Vieles läuft anders als in Tschechien. Und drittens bemühe ich mich, den Erwartungen der Bamberger entgegenzukommen, sie anzuregen und alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen­zubringen. Das Orchester hat bereits eine hervorragende Qualität und dramaturgische Kraft und es ist mir eine Freude, diese weiterzuentwickeln. Es ist eine wahrlich erhabene Gesellschaft.

Was macht die Bamberger Symphoniker besonders?
Der weiche Klang und das besonders leichtfüßige Phrasieren, der aufmerksame Fleiß und die menschliche Atmosphäre. Letzteres ist durchaus nicht überall der Fall.

Die Bamberger Symphoniker sollen sich durch ihren böhmischen Klang auszeichnen. Was verstehen Sie darunter?
Vor allem die Tatsache, dass sie im Unterschied zu den anderen deutschen Orchestern weich, mit Wärme und Farbe spielen. Und dass sie auch eine wesentliche Beziehung zur slawischen Musik haben.

Unterscheidet sich diese Vorstellung von der des Orchesters?
Ich denke, dass die Bamberger sehr stolz auf ihren Klang sind und ihn gerne pflegen. Und es sieht so aus, als würde meine Klangvorstellung zu ihnen passen.

In welche Richtung wollen Sie den Klang und das Repertoire des Orchesters weiterentwickeln?
Ich glaube, dass wir ein bisschen mehr tschechische und slawische Musik spielen werden als bisher. Ich lasse mich inspirieren, was die Komponisten anbelangt, die ich liebe, die ich aber bisher nicht so oft dirigiert habe, wie etwa Richard Wagner oder Anton Bruckner.

Sie sind der erste tschechische Dirigent in Bamberg. Wollen Sie das tschechische Repertoire ausbauen?
Ja, aber es darf nicht zu viel werden. Ich will nur wirklich interessante Kompositionen aussuchen. Und hoffentlich wird dies auch ältere beziehungsweise jüngere Musik betreffen als die des 19. Jahrhunderts.

Haben Sie einen bestimmten Komponisten oder eine Epoche im Sinn?
Von den tschechischen Komponisten sind es Josef Suk und Bohuslav Martinů, von den internationalen Carl Maria von Weber und Alexander von Zemlinsky. Wir werden aber auch bekannte Komponisten wie Johannes Brahms und Antonín Dvořák spielen – und hoffentlich auch aufnehmen.

Sie haben schon früher gesagt, Sie wollen die „Programmrituale“ des Orchesters modernisieren. Was bedeutet das?
Die etablierte Reihenfolge der Stücke im Konzertprogramm soll gebrochen werden, also nicht immer nur Vorspiel – Konzert – Sinfonie. Zweitens sollen im Programm ungewöhnliche Verbindungen von Komponisten auftauchen. Schon beim Eröffnungskonzert kann das Publikum neben Edgar Varèse auch Jan Václav Voříšek und Gustav Mahler hören – also ein Experiment aus dem 20. Jahrhundert, einen Klassiker aus der Ära Beethoven und einen Vertreter der Hochromantik. Sonst verbinden wir die ästhetischen Gegensätze Wagner und Brahms oder Brahms und John Cage.

Was bedeutet für Sie die Stadt Bamberg?
In Bamberg habe ich ein Umfeld gefunden, das mir neue Impulse gibt, in dem ich mich aber trotzdem zuhause fühle. Die Stadt ist mit ihrer Atmosphäre Prag und kleineren tschechischen Städten wie Český Krumlov sehr ähnlich. Sie verbindet auf wunderbare Weise einen ruhigen Hafen der Konzentration mit einem pulsierenden kulturellen Leben. Und dass nicht nur durch die Bamberger Symphoniker und ihr Publikum, sondern auch durch die Universität und das Erzbistum. Außerdem ist die Stadt nur drei Autostunden von Prag entfernt, wo ich mit meiner Familie lebe.

Werden Sie während Ihres Engagements in Bamberg auch nach Prag kommen?
Selbstverständlich. Ich ziehe mit meiner Familie zwar nach Bamberg, unser Hauptwohnsitz bleibt aber in Prag. Außerdem bleibe ich nach wie vor ständiger Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie.

Gibt es Pläne, mit den Bamberger Symphonikern in Prag zu spielen?
Ja, darauf freue ich mich sehr. Falls alles wie geplant läuft, wird es ein schöner und bedeutender Auftritt. Und ich glaube, dass er eine Tradition begründen wird.