Eine Stadt in Biographien
Belletristischer Reiseführer beschreibt Lebensgeschichten berühmter Prager
19. 12. 2012 - Text: Marcus Hundt
Ein hochbegabter Trinker, ein charismatischer Taxifahrer und ein Autor, dessen Romane tiefe Wunden hinterlassen. Was sie alle vereint, ist die Stadt, aus der sie kommen. Norbert Schreiber stellt in seinem jüngst veröffentlichten Buch nicht nur Jaroslav Hašek, Václav Havel und Franz Kafka vor, sondern vereint insgesamt 20 Biografien – angefangen beim Nationalheiligen Wenzel bis eben zu dem Ende 2011 verstorbenen Dichterpräsidenten.
Die jeweils acht Seiten umfassenden Lebensläufe sind kurzweilig, zuweilen amüsant geschrieben. Ein Prag-Buch zu verfassen, dessen roter Faden sich auf die mit ihr verbundenen Persönlichkeiten bezieht, hebt sich klar ab von den Büchern, die Prag als Stadt mit wunderschönen Gebäuden, goldenen Dächern und zahlreichen Kirchen vorstellen. Darüber berichtet zwar auch Schreiber, aber eben nur im Zusammenhang mit den porträtierten Personen. Die Geschichten laden zu dem einen oder anderen Stadtspaziergang ein, denn einige Lebensstationen der Protagonisten sind so gekennzeichnet, dass man sie dank einer abgedruckten Karte ausfindig machen kann.
Welche Person hat etwas mit dem im Stadtplan verzeichneten Woodrow-Wilson-Denkmal am Hauptbahnhof zu tun? Bei Schreiber ist es der ehemalige tschechoslowakische Präsident Edvard Beneš. Den Ausgangspunkt bildet hierbei ein Exkurs über Denkmäler: Am Rande des Vorplatzes steht der ehemalige Hausherr Beneš als Denkmal – ein umstrittenes städte- und staatspolitisches architektonisches Faktum, denn es bedurfte langer Streitereien, bis 2005 die Statue endgültig auf den Lorettoplatz gesetzt wurde. Die Kommunisten und Liberalnationalisten unter Führung des Präsidenten Václav Klaus hatten es so im Parlament beschlossen. Für Václav Havel waren zwei westliche politische Kaliber sehr viel denkmalwürdiger, ein amerikanischer Präsident und ein englischer Premierminister: Woodrow Wilson und Winston Churchill.
Interessante Anekdoten, Bezüge zur Gegenwart und profunde historische Kenntnisse kennzeichnen das bei Merian erschienene Buch. Wer wissen will beziehungsweise noch nicht weiß, auf welche Prager Straße der Titel von Dvořáks Symphonie „Aus der Neuen Welt“ verweist, wo Regisseur Miloš Forman einige Szenen seines oscarprämierten Films „Amadeus“ drehte oder in welchen Cafés Lenka Reinerová mit Freunden diskutierte, wird in dem mit zahlreichen Abbildungen versehenen Reiseführer fündig werden. Das Buch, so heißt es von Seiten des Verlags, „richtet sich an alle, die nicht nur Prag, sondern auch schöne Bücher lieben“.
MERIAN porträts Prag. Eine Stadt in Biographien. Autor: Norbert Schreiber, München 2012, 176 Seiten, Leineneinband mit Lesebändchen, 16,99 Euro (D), ISBN 978-3-8342-1240-5
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?