Eine unendliche Geschichte
Seit Jahren plant das Collegium Bohemicum eine Dauerausstellung in Ústí nad Labem. Seit Jahren wartet es auf die Unterstützung der Regierung
23. 7. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: ceskoukrajinou.cz
Das Gegenteil von Bewegung ist Stillstand. Mit ihm ringen seit vielen Jahren die Organisatoren um das Ausstellungsprojekt „Geschichte der deutschsprachigen Bewohner der böhmischen Länder“, das im Stadtmuseum von Ústí nad Labem realisiert werden soll. Vor acht Jahren begann die gemeinnützige Bildungs- und Forschungseinrichtung Collegium Bohemicum mit der Vorbereitung der Exposition, die den Beitrag der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens zur gemeinsamen Geschichte beider Länder kritisch beleuchten soll. In Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds wollte es die Ausstellung ursprünglich Ende 2012 eröffnen. Bisher hat sich allerdings nichts bewegt. Noch immer warten die Initiatoren auf eine Entscheidung des Kultusministeriums und die nötigen Gelder für das Projekt.
Die letzte erreichte Etappe auf dem Weg zur Ausstellung markierte eine Dokumentation, die das Collegium Bohemicum im Herbst 2012 vorlegte. Danach geriet die Umsetzung der in Tschechien einmaligen Dauerausstellung zum Thema wieder ins Stocken. Eine wesentliche Rolle dürften die zahlreichen Regierungswechsel der vergangenen Jahre spielen, die anstehende Entschlüsse verzögerten. Eine Beschlussvorlage zum Projekt würde derzeit wieder in verschiedenen Ministerien besprochen, sagte kürzlich ein Sprecher des Collegium Bohemicum.
„Da das Projekt eine große Summe von der Regierung erfordert, hat das Kultusministerium Unterlagen für die jeweiligen Ministerien vorbereitet und um deren Anmerkungen gebeten. Diese bearbeiten wir momentan“, lautet die Erklärung von Helena Markusová, Sprecherin des Kultusministeriums.
Eine Sammlung von Museumsexponaten konnte mithilfe des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds bereits angeschafft werden. Sechs Millionen Kronen (knapp 220.000 Euro) stellte der Stiftungsfonds für Archivalien, Bücher, Museumsgegenstände und Konservierungs- sowie Dokumentationsarbeiten zur Verfügung. Nun warten die insgesamt mehr als 400 Exponate auf ihre Präsentation.
Darauf hofft auch die Stadtverwaltung von Ústí nad Labem. „Die Stadt hat natürlich Interesse daran, dass die Ausstellung so schnell wie möglich umgesetzt wird“, sagt Museumsdirektor und Kulturrat der Stadt Miroslav Král. „Allerdings bestehen Zweifel am Budget für die gesamte Aktion.“ Der Staat hätte sich verpflichtet, die Ausstellung zu finanzieren, sich bisher aber nicht dazu geäußert, wann und in welcher Höhe er Gelder zur Verfügung stellen würde, so Král.
Zum Problem könnte die Renovierung des Museumsgebäudes werden, in dessen Räumen für die Schau etwa zwei Drittel der insgesamt knapp 2.100 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche eingeplant sind. Für die Sanierung erhielt die Stadt umgerechnet rund zwölf Millionen Euro aus Förderprogrammen der Europäischen Union. An die Unterstützung knüpfte die EU zugleich eine Bedingung: die Umsetzung der Ausstellung. Die Renovierung dauerte am Ende fünfeinhalb Jahre und kostete umgerechnet 16 Millionen Euro, von der Exposition des Collegium Bohemicum war jedoch nichts zu sehen. Die Stadt befürchtet nun, die Gelder an die EU zurückzahlen zu müssen. Wegen der überteuerten Sanierung des Museumsbaus hatte die Polizei Ermittlungen aufgenommen, den Fall dann aber wieder beiseite gelegt.
Der Stillstand erschwert indes nicht nur die Arbeit des Collegium Bohemicum, sondern vor allem die im Museum. „Gerade deutsche Besucher waren oft enttäuscht, wenn sie bei uns nach der Ausstellung suchten und feststellen mussten, dass sie nicht existiert“, klagt Král. Die Ungewissheit behindert darüber hinaus auch die Planung anderer Aktionen. „Wir müssen ständig damit rechnen, dass das Collegium Bohemicum plötzlich die Gelder erhält und dass dann alle bisherigen musealen Aktivitäten zum Erliegen kommen“, erklärt Král.
Die Stadt selbst kämpft seit Jahren mit finanziellen Problemen und kann die Ausstellung nicht unterstützen. Zur Umsetzung seien Král zufolge 50 Millionen Kronen (etwa 1,8 Millionen Euro) nötig. Er hält den Staat für die einzige Institution, die diese Summe gewähren kann. Laut einem Sprecher des Collegium Bohemicum soll sich in den nächsten Wochen entscheiden, ob das Projekt mithilfe der Regierung ein glückliches Ende nimmt.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?