Endlager für Atommüll gesucht
Gemeinden beklagen, von den Behörden schlecht informiert und ignoriert zu werden
7. 5. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: APZ
Gegenüber Atomkraft an sich hat Jana Nožičková, Bürgermeisterin des Dorfes Rudíkov, keine Bedenken. Gegen ein Atommüllendlager in der Nähe ihrer Gemeinde allerdings schon. „Das wäre ein massiver Eingriff in die hiesige Landschaft mit schwer kalkulierbaren Risiken. Vor allem fühle ich mich aber den Bürgern verpflichtet, die in einem Referendum den möglichen Bau einer solchen Anlage bei uns eindeutig abgelehnt haben“, so Bürgermeisterin Nožičková.
Seitdem eine neue EU-Richtlinie die Regierungen der Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis 2015 konkrete Pläne zum Aufbau von Endlagern für radioaktiven Abfall von Atomkraftwerken, Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen vorzulegen, ist auch in Tschechien die Suche nach einem möglichen Standort forciert worden. Bis 2018 muss eine Auswahl getroffen werden. Derzeit sind sieben mögliche Standorte in Westböhmen, Südböhmen und der Böhmisch-Mährischen Höhe (Vysočina) im Gespräch. Rudíkov, rund zwölf Kilometer von der UNESCO-Welterbe-Stadt Třebíč entfernt, ist eine von rund drei Dutzend Gemeinden, die an diesen sieben Orten vom Bau eines Endlagers direkt betroffen wären.
Bürger dagegen
Genauso wie in Rudíkov haben sich auch in den allermeisten anderen Gemeinden die Einwohner in Referenden gegen den Bau eines Atommüllendlagers ausgesprochen. Ob dies jedoch den Staat daran hindern wird, an den potentiellen Standorten die notwendigen Eignungstests und Untersuchungen vorzunehmen, ist eher fraglich. Zwar gibt es Vereinbarungen zwischen den einzelnen Gemeinden und der für die Planung der Endlager zuständigen Behörde SÚRAO. Diese besagen, dass Eignungsuntersuchungen an den potentiellen Standorten der Zustimmung der betroffenen Kommunen bedürfen. Doch scheinen diese Vereinbarungen nun hinfällig zu sein. Der Grund: Ende April übertrug das zuständige Industrie- und Handelsministerium die Aufgabe, an den Standorten Eignungsuntersuchungen durchzuführen, an das Staatsunternehmen DIAMO. Dieses ist allerdings an keinerlei Vereinbarungen mit den Kommunen gebunden und hat somit theoretisch freie Hand.
Vertreter der betroffenen Gemeinden sind über diese Vorgehensweise empört. „Ich empfinde das als Betrug. Man verhandelt die ganze Zeit mit jemandem, trifft bestimmte Vereinbarungen und auf einmal ist alles ganz anders, ohne dass wir vorher darüber informiert werden“, so Bürgermeisterin Nožičková, die ganz allgemein über eine schlechte Kommunikation mit den Behörden klagt. „Die Art und Weise, wie wir informiert oder besser gesagt nicht informiert wurden, lässt schon stark zu wünschen übrig“, echauffiert sich Nožičková.
Gemeinsamer Aufruf
Die Befürchtung, bei der weiteren Vorgehensweise der Endlager-Suche übergangen zu werden, hat die Kommunen zu einem Aufruf mit dem Titel „K hlubinnému úložišti férově“ (etwa: „Für eine faire Endlagersuche“) veranlasst. Daran wird die Verabschiedung eines Gesetzes gefordert, das die Position der betroffenen Kommunen und Gemeinden stärkt und ihnen ein absolutes Vetorecht einräumt. Bis dies nicht passiert sei, solle auf alle weiteren Eignungsprüfungen an den potentiellen Standorten verzichtet werden. „Wir wollen nichts anderes, als dass sich der Staat korrekt verhält, korrekt kommuniziert und zuvor gegebene Versprechungen sowie verbindliche europäische Normen einhält. Wir wollen nicht, dass der Staat so tut, als sei alles im Dialog mit den Gemeinden entschieden worden und dabei Dinge unternimmt, die mit uns gar nicht besprochen wurden“, erläutert der Bürgermeister der westböhmischen Gemeinde Horažďovice, Karel Zrůbek. Er ist einer der Initiatoren des Aufrufs, den bisher unter anderem 123 Bürgermeister und 27 Bürgerinitiativen unterschrieben haben.
Vertrauen verloren
Ministerium und Behörden versichern indes, dass auf die Wünsche und Rechte der Gemeinden Rücksicht genommen und dass es keinen staatlichen Alleingang geben wird.
„Die Städte und Gemeinden haben ausreichend Möglichkeiten, den gesamten Prozess wesentlich zu beeinflussen. Und das geschieht auch“, so der Staatssekretär im Industrieministerium, Pavel Šolc. Auch Jiří Sovák, stellvertretender Direktor der Endlager-Behörde SÚRAO, zerstreut mögliche Bedenken: „Wir haben die Aufgabe, bis 2018 zwei mögliche Standorte auszusuchen und diese einschließlich der Stellungnahmen der betroffenen Gemeinden der Regierung vorzulegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Stellungnahmen anders als positiv sein könnten. Wir werden nach wie vor einen Weg verfolgen, der zu einem konsensuellen Ergebnis führt“, gibt sich Sovák optimistisch.
Der erste Schritt auf diesem Weg muss angesichts der aktuellen Situation allerdings darin bestehen, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.
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