Energie aus dem Universum
Restaurants der Kette Loving Hut helfen Gästen bei der Berechnung ihrer Karma-Bilanz
9. 12. 2015 - Text: Jana WagnerText und Foto: Jana Wagner
Fleischlose Ente, Gemüsesuppe mit Koriander oder einfach Spaghetti mit Tomatensoße stehen auf der Speisekarte der veganen Restaurantkette Loving Hut. Ihre erste Filiale in Tschechien eröffnete sie 2007, mittlerweile betreibt sie acht Restaurants in Prag und eines in Pilsen. Zu den herzhaften und süßen Speisen bekommt der Besucher gleich einige Minuspunkte auf sein Karmakonto. So wird es in der Unternehmensphilosophie beschrieben, denn Loving Hut gehört zu einer fragwürdigen Glaubensgemeinschaft.
Obwohl veganes Essen anderen Ernährungsformen unbedingt vorzuziehen sei, wie es bei Loving Hut heißt, gibt es immer noch 20 Negativpunkte für alle, die eine warme Mahlzeit verspeisen. Wer Rohkost gewählt hat, kommt auf zehn. Den mathematisch genauen Überblick über den göttlichen Willen hat die in Vietnam geborene Loving-Hut-Gründerin und „Höchste Meisterin“ Ching Hai, die ihre Anhänger mit Meditation und strengen ökologischen, sexuellen und sonstigen Lebensregeln zur Einheit mit Gott führen möchte. Sie beruft sich vor allem auf Elemente des Christentums und des Buddhismus.
„Ein Vortrag von ihr in Tschechien hat den Anstoß gegeben, die erste Filiale zu gründen“, erzählt Pham Nhung, Managerin der jüngsten Zweigstelle in Prag in der Straße Na Poříčí. Religiöse Tötungsverbote weitet die „Höchste Meisterin“ auf Tiere aus. „Man kann nicht sagen, dass man nicht tötet, wenn man Fleisch konsumiert“, sagt Nhung. In der neuen Filiale, in der sie selbst an der Kasse steht, erstrecken sich Saftbar, Mittagsbuffet und der vegane Bio-Supermarkt über zwei Stockwerke, die Räume sind frisch renoviert. Ab und an kämen Anfragen von Interessierten, die ein eigenes Restaurant unter dem Namen eröffnen möchten, so die Managerin. Loving Hut sei in Tschechien allerdings ein Familienbetrieb. „Wer hier arbeiten möchte, muss außerdem der Unternehmensphilosophie nahestehen“, sagt Nhung. Sie möchte die „Höchste Meisterin“ jedoch nicht als Sektenführerin bezeichnen, sondern als ihre geistige Lehrerin, die sie niemandem aufdrängen wolle.
Licht statt Brot
Die Botschaften von Ching Hai werden über den Fernseher ausgestrahlt, der im Eingangsbereich des Restaurantes hängt. „Supreme Master Television“ heißt der Kanal, der neben Vorträgen der spirituellen Führerin Tipps zu vegetarischer Ernährung sowie positive Nachrichten aus aller Welt zeigt. Das Programm ist mit Untertiteln in bis zu 20 Sprachen versehen – alle zeitgleich eingeblendet.
Anhänger der Lehre sind bisweilen bei vegetarischen Seminaren und Protestaktionen aktiv, eine aktuelle Schätzung der Anzahl der beteiligten Menschen gibt es nicht. 2004 ging eine Studie von 20.000 Aktiven weltweit aus. Laut Nhung finden in Tschechien bereits seit vielen Jahren keine Veranstaltungen mehr statt. Auf Informationsblättern mit dem Titel „Grundkenntnisse des goldenen Zeitalters“ wird jedoch weiter vorgerechnet: Wer der Weltanschauung folgt und dennoch Fleisch isst, muss dafür 700 bis 1.000 Karmaminuspunkte kalkulieren; allein der Besuch eines Restaurants, in dem auch nichtvegetarisch gekocht wird, bringt 300 Negativpunkte.
Die einzige als wirklich rein propagierte Form der Energiezufuhr ist die komplette Umstellung auf Lichtnahrung für all jene, die auf dem spirituellen Weg bereits fortgeschritten sind und weiter fortschreiten wollen. Statt durch Essen und Trinken soll die Energie gänzlich aus dem Universum aufgenommen werden. „Das geht nicht? Zehntausende Menschen leben schon jetzt mit Erfolg auf diese Weise“, heißt es bei Loving Hut. Den Versuch, ihren Körper auf Lichtnahrung umzustellen, machen tatsächlich immer wieder Anhänger verschiedener esoterischer Lehren. 2012 berichteten Medien vom Tod einer Schweizerin, die nach dreiwöchigem Fasten und Meditieren zu Tode kam, 1997 starb ein 31-jähriger Münchner, als er sich ausschließlich von Lichtstrahlen ernähren wollte.
Doch nicht nur die Nahrungsaufnahme lässt die 65-jährige Ching Hai schlechtes Karma verheißen. Wer beispielsweise beruflich Zigaretten verkauft, kommt jährlich schnell auf ein Millionenminus. Gutzumachen ist das nur mit einer Menge guter Taten oder der von Ching Hai gelehrten „Licht- und Ton-Meditation“, mit der Pluspunkte für die persönliche Bilanz zu sammeln sind. Neben Zigaretten ist außerdem auch Alkohol verpönt. Entsprechend bieten die Loving-Hut-Filialen ausschließlich alkoholfreie Getränke an und verfügen über keinen Raucherbereich. Das Konzept soll erfolgreich sein. Nach eigenen Angaben ist Loving Hut die größte vegane Restaurantkette weltweit mit mehr als 200 Filialen in Europa, Amerika, Australien und Asien.
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