„Er machte Blasmusik weltberühmt“
Ernst Mosch arbeitete schon in den 1970er Jahren mit Musikern aus dem Nachbarland zusammen und hatte auch Musiker aus dem Egerland in seinem Orchester. Kann man daher sagen, dass ihm die deutsch-tschechischen Beziehungen am Herzen lagen?
Auf musikalischem Gebiet sicher. Durch seine Interpretationen in Westeuropa verbesserte Mosch auch das Image von tschechischen Blaskapellen. Zudem nahm er Kritik von Vertriebenen in Kauf, dass er ausgerechnet die Musik eines Landes spielte, aus dem die Deutschen verjagt wurden. Er holte sich anfangs musikalische Informationen durch den Prager Rundfunk, doch es war nicht leicht für ihn, an Kompositionen und Noten zu kommen. Deshalb fragte er schon während der kommunistischen Tschechoslowakei bei einer ganzen Reihe von Komponisten an, etwa auch bei Josef Poncar, František Kmoch, Josef Hotový, Rudolf Urbanec oder Jaroslav Škabrada.
Hatte er selbst Einfluss auf die traditionelle Blasmusik in Böhmen?
Rein musikalisch hatte er keinen Einfluss auf die dortige böhmische Blasmusik, bis heute nicht. Das liegt einfach daran, dass er bis auf die Anfangsjahre seinen ganz eigenen Stil vertreten hat, eben diesen weichen Charakter der Musik. Dagegen hört sich typische böhmische Blasmusik oftmals anders an, viel kräftiger und viel härter, mit anderen Besetzungen. Dafür hat er etwas anderes vollbracht: Er machte die böhmische Blasmusik erst weltberühmt! Vor ihm kannte man sie nicht oder kaum. Durch ihn rückte sie in den Blickpunkt und wird bis heute überall gespielt, in jedem Festzelt, in jeder Konzerthalle. Das ist letztendlich sein bleibendes Verdienst.
Mosch leitete die heute noch existierenden „Egerländer Musikanten“ bis zu seinem Tod 43 Jahre lang, verkaufte über 40 Millionen Tonträger und erhielt 29 Gold-, Platin- und Diamantene Schallplatten. Hatte er selbst erwartet, bis heute ein Vorbild zu bleiben?
Ernst Mosch wäre sicher nie so erfolgreich geworden, wenn er immer nur dieselben traditionellen Egerländer und böhmischen Titel verwendet hätte. Ob er erwartet hatte, dass er einmal so berühmt werden würde, ist schwer zu beurteilen. Sicher hat er aber darauf hingearbeitet. Denn für ihn gab es kein Ende, er hat diese Musik immer weiterentwickelt und nach außen hin deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, Polkas oder Walzer von einst neu aufzulegen und immer wieder zu spielen. Vielmehr mussten immer neue Kompositionen kommen, ein neuer musikalischer Stil, neue Besetzungen. Wie gesagt: Er dachte stets in die Zukunft.
Ernst Mosch begann seine Karriere mit Jazz- und Tanzmusik. Wählte er die Blasmusik – wie die musical-affine Helene Fischer den Schlager – nur deshalb, weil ihm dies mehr Erfolg und eine größere Karriere versprach?
Er hat anfangs in Jazzkapellen und Tanzorchestern gespielt, um Geld zu verdienen. Ernst Mosch war gelernter Posaunist und darin sehr gut. Als er in den Westen kam, stieg er mit Erfolg sofort in allen möglichen Kapellen und Besetzungen ein, vergaß darüber aber nicht die Musik seiner Heimat. Als die Zuhörer bei einer Großveranstaltung nach Mitternacht – erschöpft von Tanzmusik und Jazz – kurz vor dem „Einschlafen“ waren, schlug Mosch vor, doch mal die alten Polkas und Walzer seiner Heimat zu spielen.
Mit durchschlagender Wirkung auf seine spätere Karriere.
Das ist tatsächlich so passiert, wie glaubhaft versichert wurde. Gebürtige Egerländer Musikanten standen ihm ja zur Verfügung, sie haben sich zusammengesetzt und mit den mitgebrachten Noten ein paar Stücke aufgelegt. Musikstücke aus den Proben wurden vom Südfunk Stuttgart aufgezeichnet und zunächst ohne sein Wissen im Radio veröffentlicht. Die Rückmeldungen waren enorm. Es soll über 40.000 Zuschriften gegeben haben, in denen gefragt wurde, wer das denn gespielt habe. Damit begann sein riesiger Erfolg.
Also eine Karriere aus Zufall?
Was die Egerländer Musik angeht, war das sicher nicht so geplant, sondern entsprang ein Stück weit sozusagen musikalischer Heimatliebe. Seine Karriere begann als Leadposaunist beim Südfunk-Tanzorchester. Mosch hatte dort mit Sicherheit eine große Karriere vor sich, doch er ist dort 1966 zugunsten der „Egerländer Musikanten“ ausgestiegen.
Ernst Mosch bescherte der Blasmusik einen Triumphzug über Jahrzehnte. Ist sie nicht in ihrer Entwicklung stehen geblieben, wenn er noch 20 Jahre nach seinem Tod als quasi unverzichtbar gilt?
Es gibt tatsächlich noch heute sehr viele Musiker, die immer noch mit viel Erfolg seine Stücke spielen oder Mosch quasi als musikalischen Urvater zum Vorbild nehmen. Ohne ihn hätte die Blasmusik heute nicht diese Bedeutung, seinetwegen umfasst sie nahezu alle Generationen. Doch die Blasmusik ist sicher nicht stehen geblieben. Es gibt heute zahlreiche Kapellen, die traditionell Egerländer Musik spielen und sehr darauf bedacht sind, die Musik im Sinne von Ernst Mosch weiter zu entwickeln. Zum Beispiel das Egerländer „Orchester Holger Mück“. Mit immer neuen Kompositionen im Stil der typisch böhmischen Musik, damit sie auch jüngere Generationen noch anspricht. Immer nur mit den alten Stücken bekommt man die Säle heute nicht mehr voll, das ist ganz klar.
ZUR PERSON
Wolfgang Jendsch leitet das Egerländer Blasmusik- und Informationsarchiv am Bodensee mit fast 6.200 Tonträgern und über 60.000 Musiktiteln. Darunter sind mehrere hundert Aufnahmen von Ernst Mosch. Zugleich ist Jendsch selbst begeisterter Blasmusiker und Mitglied des „Arbeits- und Forschungskreises Egerländer Kulturschaffender“.
Ein sehr detaillierte, umfangreiche und interessante Darstellung – herzlichen Dank! Klasse!