Erfolge und Skandale
Sechs Ereignisse, die Tschechien in diesem Jahr bewegten
19. 12. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: APZ
Das Staatsoberhaupt wird wegen Hochverrat angeklagt, eine Bestechungsaffäre führt zum Rücktritt der Regierung, in Nordböhmen herrscht Pogromstimmung, ein Hochwasser fordert zahlreiche Todesopfer. Vor zwölf Monaten hätte wohl niemand mit solchen Schlagzeilen im Jahr 2013 gerechnet. Auch nicht damit, dass sich Ende Oktober mit Andrej Babiš ein Milliardär als Sieger der Parlamentswahlen fühlen darf.
Umstrittene Amnestie
Für den ersten Paukenschlag sorgte Staatspräsident Václav Klaus bereits in seiner Neujahrsansprache. Darin verkündete er eine Massenamnestie, von der vor allem Straftäter profitierten, die bis Ende 2012 zu maximal einem Jahr Haft verurteilt worden waren. Aktuellen Angaben des Justizministeriums zufolge gelangten insgesamt rund 110.000 Straftäter auf freien Fuß. Die Empörung über die Amnestie war groß. Der von den Sozialdemokraten dominierte Senat erhob sogar Klage wegen Hochverrats gegen den scheidenden Präsidenten, der seine Machtbefugnisse überschritten habe. Sie kam zu spät. Denn das Verfassungsgericht urteilte Ende März, nach Ablauf der Amtszeit von Präsident Klaus. Eine Amtsenthebung als erwägte rechtliche Folge ergab da keinen Sinn mehr.
Zeman wird Präsident
Seinen Platz auf der Prager Burg hatte inzwischen der einstige Ministerpräsident Miloš Zeman eingenommen. Bei der ersten Direktwahl eines Präsidenten setzte sich Zeman gegen insgesamt acht Konkurrenten durch. In der Stichwahl gegen Außenminister Karel Schwarzenberg erhielt er 54,8 Prozent der Stimmen. Das Geheimnis des Erfolgs: eine Negativ-Kampagne gegen die beim Volk unbeliebte Mitte-Rechts-Regierung und Karel Schwarzenberg. „Er hat es verstanden, das Regierungsengagement seines Kontrahenten für sich auszunutzen“, sagte Politologin Vladimíra Dvořáková gegenüber der „Prager Zeitung“ direkt nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Und weiter: „Der neue Präsident wird zweifelsohne eine sehr aktivistische Politik betreiben, die sich an der Grenze seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse bewegt, diese vielleicht sogar überschreiten wird.“ Sie sollte Recht behalten.
Empörung über „Causa Putna“
Ein Beispiel dafür ist der „Fall Putna“. Im Mai hatte sich Zeman geweigert, den homosexuellen, katholischen Literaturwissenschafter Martin C. Putna zum Professor zu ernennen. Angeblich weil er auf einer Gay-Parade 2011 ein Transparent mit der Aufschrift „Katholische Tunten grüßen Bátora“ hochgehalten hatte. Der Rechtskonservative Bátora hatte damals eine Gegendemonstration organisiert. Außenminister Schwarzenberg, von Putna im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt, sprach von einer „Fortführung der Politik im Protektorat“, andere von einem „Eingriff in die akademische Freiheit“. Zeman unterschrieb die Ernennungsurkunde schließlich doch – und verzichtet in Zukunft auf sein Privileg der Professorenernennung.
Verhängnisvolle Affäre
Dass Zeman die Ernennung von Funktionsträgern von seinen persönlichen Ansichten abhängig macht, sollte er im Laufe des Jahres noch öfter beweisen. Mit Hang zur Selbstinszenierung setzte er sich über den Willen des Parlaments hinweg und berief eine von ihm auserwählte Beamtenregierung ein, nachdem die Regierung von Petr Nečas im Juni aufgrund einer Korruptions- und Bespitzelungsaffäre zurückgetreten war. Im Mittelpunkt stand dabei die Büroleiterin und Geliebte des Regierungschefs Jana Nagyová. Sie soll nicht nur aus Eifersucht Nečas’ Ehefrau durch den militärischen Geheimdienst bespitzelt haben, sondern auch an der Bestechung von mehreren ODS-Abgeordneten beteiligt gewesen sein. Der 2012 geschlossene Deal: Aufgabe des Mandats gegen lukrative Aufsichtsratsposten. Begonnen hatte das politische Erdbeben am 12. Juni mit einer Polizei-Razzia in mehreren Regierungsgebäuden. Acht Staatsbedienstete wurden festgenommen, darunter auch Büroleiterin Nagyová, die inzwischen Nečasová heißt. Der Premier und seine Geliebte hatten sich im September das Ja-Wort gegeben. Das Strafverfahren läuft noch.
Hochwasser im Juni
Während in Prag das „politische Chaos“ herrschte, kämpften zehntausende Tschechen mit ganz anderen Problemen. Anfang Juni hatten enorme Niederschläge zu Überschwemmungen geführt, für sieben böhmische Kreise wurde der Notstand ausgerufen – betroffen waren insgesamt 970 Städte und Gemeinden. 26.000 Menschen mussten evakuiert werden, 15 Menschen verloren ihr Leben.
Proteste gegen Roma
Während das Hochwasser die Schlagzeilen nur für kurze Zeit bestimmte, war die „romafeindliche Grundhaltung der tschechischen Bürger“, wie der Inlandsnachrichtendienst bemerkte, ein Dauerthema. Im Sommer und Herbst sorgten vor allem die Proteste gegen Angehörige der Roma-Minderheit im nordböhmischen Duchcov, České Budějovice und Ostrava für Aufsehen. An den Aufmärschen für die „Rechte der Anständigen“ nahmen nicht nur Rechtsradikale, sondern auch Anwohner teil. „Eine besorgniserregende Entwicklung“, urteilte unter anderem das Tschechische Helsinki-Komitee in seinem Jahresbericht. „Die Stellung der Roma verschlechtert sich rasant. Roma werden als Urheber unterschiedlichster gesellschaftlicher Probleme bezeichnet.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“