Erfolgreicher Schlag gegen Drogenkriminalität

Erfolgreicher Schlag gegen Drogenkriminalität

Tschechische und deutsche Polizisten finden Rekordmenge des Crystal-Grundstoffs Chlorephedrin in Leipzig

19. 11. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: BKA

Es ist der trügerische Stoff, aus dem die Träume sind. Preisgünstig und einfach zu beschaffen, katapultiert Crystal seine Konsumenten schnell in eine andere Welt, in flüchtige Glückseligkeit. Der Konsum der synthetischen Modedroge hat in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Gerade im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Deutschland entwickelte sich der Schmuggel mit dem gefährlichen Rauschgift zu einem ernsthaften Problem. Nun ist Ermittlern aus beiden Ländern ein spektakulärer Fund geglückt.

In Leipzig gelang es den Beamten Anfang November, einen internationalen Drogenring zu zerschlagen, der in Leipzig und Prag tätig war. Dabei stellten sie eine Rekordmenge von 2,9 Tonnen Chlorephedrin sicher. Die Chemikalie dient als Grundstoff für die Produktion von Chrystal. Wie das Bundeskriminalamt (BKA) mitteilte, hätten aus der konfiszierten Menge mehr als zwei Tonnen des Methampheta­mins hergestellt werden können; ihr Verkaufswert auf dem Schwarzmarkt beläuft sich auf etwa 184 Millionen Euro.

Wie BKA-Präsident Jörg Ziercke betonte, belegt der Fall die internationale Vernetzung des organisierten Rauschgifthandels und die Größenordnung der Gewinne, die mit den kriminellen Geschäften erzielt werden. „Wurden Chemikalien für die illegale Rauschgiftproduktion in großen Mengen bislang fast ausschließlich aus China bezogen, stellt dieser Fall einer Grundstoffproduktion durch einen deutschen Staatsangehörigen in Europa und deren Schmuggel in die Tschechische Republik ein Novum dar. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den tschechischen Behörden zeigt deutlich, wie notwendig und unerlässlich eine konsequente internationale Polizeikooperation ist“, so Ziercke.

Die Polizeibeamten durchsuchten insgesamt 19 Wohnungen und Geschäfte in Leipzig, in denen sie 600.000 Euro Bargeld, Munition, gestohlene Ausweisdokumente und dutzende Mobiltelefone beschlagnahmten. Sieben Personen wurden festgenommen. Diese hatten bereits zehn Kilogramm Chlorephe­drin zum Weitertransport nach Tschechien vorbereitet. Dort wird die Chemikalie in illegalen Rauschgiftlaboren zur Herstellung von Crystal verwendet. Ein Teil der so produzierten Drogen würde dann wiederum nach Leipzig geliefert und an Zwischenhändler und Konsumenten verkauft, teilte das BKA mit. Dem Leiter der Anti-Drogen-Einheit des tschechischen Zolls Pavel Hoffman zufolge zeigt der Fall, dass Banden immer neue Wege suchen, wie sie Drogen herstellen können. Der Chef der tschechischen Anti-Drogen-Zentrale Jakub Frydrych erklärte: „Wir haben den Verdacht, dass dieser Stoff zur Drogenherstellung in Tschechien und auch in wesentlich größeren Rauschgifthändlerringen diente, als uns bisher bekannt sind.“

Als Hauptverdächtiger in dem Fall gilt ein 32-jähriger Chemie- und Pharmahändler aus Leipzig. Laut BKA soll er das Chlorephedrin eigens im Ausland produziert haben lassen. Gegenüber den Behörden täuschte er vor, die Chemikalie vernichtet zu haben, um sie dann illegal zur Drogenherstellung weiterverkaufen zu können. Auf tschechischer Seite nahmen die Polizisten sieben weitere Bandenmitglieder in Prag fest, wo sie zudem Schusswaffen und Bargeld sicherstellten. Den Inhaftierten droht nun eine Strafe von zehn bis 18 Jahren Freiheitsentzug.

Laut Experten besteht das Hauptproblem darin, dass der Handel mit der Chemikalie nach wie vor erlaubt ist. So ist der Vertrieb von Chlorephedrin grundsätzlich nicht verboten, die Chemikalie darf aber legal nur zu Forschungs- und Versuchszwecken genutzt werden. Drogenhändlern lässt die fehlende Reglementierung genügend Freiraum, um Rauschgift zu produzieren. Experten fordern daher von der tschechischen Regierung, sich verstärkt für eine Änderung des Arzneimittelrechts in der EU einzusetzen. Chemikalien, die zur Herstellung von Drogen dienen und sozusagen als deren Vorstufen gelten können, sollten strengeren Rechtsvorschriften unterliegen. Auf die Liste verbotener Substanzen gehörten auch die Ephedrin-Derivate, fordert etwa der Direktor der Nationalen Monitoring-Zentrums für Drogen und Abhängigkeit Viktor Mravčík.

Schätzungen zufolge werden in Tschechien jährlich sechs Tonnen Crystal konsumiert. Der Trend geht dabei in Richtung Großproduktion, wobei pro Herstellungsturnus zwischen 20 und 40 Kilogramm Crystal produziert werden. Ein Gramm der Droge kostet je nach Region zwischen 600 und 1.200 Kronen (etwa 22 bis 44 Euro). Für deutsche Konsumenten ist das eine kostengünstige Alternative, beträgt der Preis in ihrer Heimat doch 80 bis 120 Euro pro Gramm.

Die Verbreitung von Crystal stellt laut BKA in Deutschland ein zunehmend ernstes Problem dar. Die Droge wird in der Regel in illegalen Drogenküchen im tschechischen Grenzgebiet hergestellt und gelangt von dort nach Deutschland. Abnehmer findet das schnell zur Abhängigkeit führende Rauschgift nicht nur in Bayern und Sachsen, sondern zunehmend auch in den anderen deutschen Bundesländern.