Erneuter Aufmarsch gegen Roma
Im schlesischen Vítkov demonstrieren Hunderte für „Rechte der Anständigen“ – Amnesty International fordert Regierung zum Handeln auf
7. 8. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: mn/id/čtk; Foto: čtk
Am vergangenen Samstag sind im schlesischen Vítkov rund 300 Demonstranten zusammengekommen – offiziell um „gegen Kriminalität“ und „für die Rechte aller anständigen Bürger“ zu protestieren. Veranstaltet wurde die Demonstration von der neonazistischen Vereinigung „Čeští lvi“ („Böhmische Löwen“), die aus der rechtsradikalen Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit (DSSS) hervorgegangen ist.
Laut Polizeiangaben reisten die Teilnehmer aus ganz Tschechien an. Schätzungen zufolge gehörte rund die Hälfte der Demonstranten dem rechtsradikalen Lager an. Bei glühender Hitze versammelten sich Anwohner und Angereiste auf dem Marktplatz und sprachen vom Rassismus gegen die weiße Bevölkerung. Danach folgte ein weitestgehend friedlicher Protestmarsch durch die Stadt. Dabei wurden Parolen wie „Tschechien den Tschechen“ oder „Unsere Straßen, unsere Städte“ gerufen. Nach dem offiziellen Ende des Protestmarsches versuchten mehrere Rechtsradikale zu einer Gegenveranstaltung der Roma vorzudringen. Die Polizei hielt sie gewaltsam davon ab und nahm drei rechtsradikale Demonstranten fest. „Bei Kontrollen in der Stadt wurden rund 220 Personen kontrolliert und 22 Waffen sichergestellt“, erklärte Tomáš Kužela. Laut dem Polizeipräsidenten der Region Mährisch-Schlesien handelte es sich dabei um Messer, Baseballschläger und Metallstangen.
Weitere Proteste geplant
Zum „Happening für gutes Zusammenleben“ hatte die Partei für Chancengleichheit (Strana rovných příležitostí) aufgerufen. Daran nahmen knapp hundert Personen teil – mehrheitlich Roma, von denen einige zur Unterstützung der Anwohner aus anderen Städten angereist waren. Mit trauriger Stimme bedankte sich Anna Siváková für die Unterstützung. Ihre Tochter wurde vor vier Jahren Opfer eines Brandanschlags, der den Ort Vítkov landesweit zu einem Symbol für die Hetze gegen Roma machte. Die kleine Natálie erlitt dabei schwerste Brandverletzungen und lag wochenlang im Koma. Vier Rechtsradikale wurden für den Anschlag zu 20 und 22 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
Amnesty International und das Europäische Zentrum für die Rechte der Roma riefen die Tschechische Republik kürzlich dazu auf, die Roma-Minderheit vor Gewalt und Terror zu schützen. „Die Situation in Tschechien ist sehr angespannt, rechtsradikale Gruppierungen gewinnen an Einfluss. Viele Roma-Familien und Aktivisten, mit denen wir geredet haben, fürchten um ihre Sicherheit“, sagte Dezideriu Gergely, Geschäftsführer des ERRC. Der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS urteilte in einem wenige Tage zuvor veröffentlichten Bericht, die Anti-Roma-Haltung in einigen Teilen der Öffentlichkeit stelle langfristig gesehen ein größeres Problem dar als rechtsextreme Gruppierungen.
In den vergangenen Monaten war regelmäßig unter anderem im nordböhmischen Duchcov (Dux) und in České Budějovice (Budweis) für die „Rechte der Anständigen“ demonstriert worden. Allein die „Böhmischen Löwen“ planen in diesem Jahr landesweit noch elf weitere Proteste in Orten mit hoher Roma-Population. In Tschechien leben derzeit schätzungsweise bis zu 300.000 Roma. Nach Angaben des ERRC wurden zwischen 2008 und 2012 mindestens 48 gewalttätige Übergriffe gegen Angehörige der Minderheit verübt.
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