Erstklassig vorbereitet?
Neues Schuljahr bringt Rekordzahl an Erstklässlern und Änderungen im Lehrplan
4. 9. 2013 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: čtk
Nach zwei Monaten Sommerferien hat am Montag das neue Schuljahr begonnen. Über 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche strömten in die tschechischen Unterrichtsstätten, um wieder die Schulbank zu drücken. Überraschend dabei war die Zahl der Erstklässler: Insgesamt 112.000 Schulanfänger wurden landesweit verzeichnet – über 7.000 mehr als im vergangenen Jahr. Die Mittelschulen dagegen vermelden einen Rückgang von 19.000 Schülern.
Das neue Schuljahr bescherte den Grundschulen nicht nur überfüllte Klassen, sondern auch grundlegende Änderungen im Lehrplan. Nachdem die Pisa-Studien der vergangenen Jahre den tschechischen Schülern im internationalen Vergleich eher unterdurchschnittliche Kenntnisse bescheinigt hatten, reagierte das Bildungsministerium im Januar mit einer Korrektur des Rahmenlehrplans. Bereits in der 5. Klasse wird nun mit dem Bruchrechnen begonnen, eine zweite Fremdsprache ist spätestens ab dem 8. Schuljahr obligatorisch.
In der neunjährigen Grundschulausbildung in Tschechien stand bisher nur eine Fremdsprache verpflichtend auf dem Lehrplan; sie musste ab der dritten Klasse erlernt werden. Die meisten Schüler entschieden sich für Englisch. Eine zweite Fremdsprache wurde in den späteren Schuljahren im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten lediglich als Wahlfach angeboten. Die zusätzliche Fremdsprache soll nun in sechs Wochenstunden unterrichtet werden, die sich über einen ausgewählten Zeitraum an Unterrichtsjahren zergliedern. Die Schüler entscheiden dabei selbst, in welchen Klassenstufen ihrer Grundschulausbildung sie die neue Sprache erlernen wollen. Französisch oder Deutsch könnten sie beispielsweise in jeweils drei Wochenstunden in der achten und neunten Klasse oder in jeweils zwei Stunden von der siebten bis zur neunten Klasse pauken.
Noch vor drei Jahren hatten sich knapp 60 Prozent der Schulleiter gegen die verpflichtende Einführung einer Zweitsprache ausgesprochen. Laut einer Umfrage des Bildungsministeriums hielten das die meisten Direktoren für unsinnig. Eine Zweitsprache würde die Kinder übermäßig belasten, zumal die Schulen nicht über genügend Geld verfügten, weitere Lehrkräfte einzustellen. Der Präsident des Lehrerverbandes Jan Korda sieht das Problem an einer anderen Stelle: Wenn keine Kontinuität im Sprachunterricht geleistet würde und die weiterführenden Schulen nicht die gewählten beiden Sprachen anbieten, dann sei das Unterfangen „obligatorische Zweitsprache“ weniger sinnvoll. „Wir lehren die Schüler für zwei oder drei Jahre zum Beispiel Französisch und wenn dann die Eltern in der Region keine Schule finden können, an denen ihr Kind Französisch oder Englisch lernen kann, dann war alles für die Katz“, so Korda.
An der Praxis orientiert
Der scheidende Bildungsminister Dalibor Štys hält die Neuerung für einen Fortschritt. Die Lehrer dürften nicht so sehr auf Grammatik pochen, sondern müssten die lebendige Sprache in den Vordergrund stellen. Wie der Minister im Tschechischen Fernsehen erklärte, hätte Tschechien das „tragische Problem“, dass nahezu alle Filme synchronisiert würden. „In anderen Ländern wachsen die Menschen durch das Fernsehen mit anderen Sprachen auf und mehr noch. Sie lernen durch Untertitel in ihrer Landessprache auch noch ihre Muttersprache besser.“
Ein weiteres Novum an einigen Grundschulen ist eine neue Schreibschrift. Die sogenannte „Comenia Script“ wurde 2010 an 40 ausgewählten Schulen getestet; als vereinfachte Schulschrift soll sie das Erlernen des Schreibens erleichtern.
Wurde in den vergangenen Jahren zunehmend die praxisferne Ausbildung des tschechischen Nachwuchses moniert, wird künftig im Unterricht verstärkt praktisches Wissen vermittelt. So sollen die Heranwachsenden beispielsweise erlernen, welche Regeln es im Straßenverkehr zu beachten gilt und wie man angmessen mit Geld wirtschaftet. Auf das „wirkliche Leben“ vorbereiten sollen auch Lektionen zum Thema „Korruption“ und „Verhalten in Notsituationen“ wie Überschwemmungen und Brandfälle.
Eine praxisnahe Bildung betonte auch Staatsoberhaupt Miloš Zeman, der am Montag das Schuljahr mit einem Besuch des Prager Gymnasiums Amazon offiziell eröffnete. An der Privatschule, die auch seine Tochter besucht, riet er den Absolventen, möglichst früh auf ihre berufliche Zukunft hinzuarbeiten. Bei der Wahl einer Hochschule sollten sie vor allem die Relevanz des Arbeitsgebiets auf dem Markt abwägen. „Wählen Sie ein Fach, nicht nur weil Sie damit glücklich sind oder an einer interessanten Hochschule studieren, sondern weil es Ihnen ermöglicht, einer ansprechenden und gefragten Arbeit nachzugehen.“
Die Qualität der Bildung scheint jedoch noch lange nicht gesichert. Am Montag verkündete das Bildungsministerium weitere Kürzungen in seinem Ressort. Wie der Sprecher des Ministeriums Marek Zeman bekanntgab, hätten die sinkenden Gelder aus von der EU kofinanzierten Projekten für Forschung und Entwicklung ein Defizit von fünf Milliarden Kronen (etwa 195 Millionen Euro) verursacht. Im kommenden Jahr müsste das Schulwesen daher mit 135 Milliarden Kronen wirtschaften.
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