Essen ohne Qualm
Neuer Gesetzentwurf sieht absolutes Rauchverbot in gastronomischen Betrieben vor
4. 2. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Alessandra
Die einen schätzen Tschechien als letztes Raucherparadies, die anderen rümpfen beim Restaurant-Besuch die Nase: Trotz mancher Bemühungen der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren gehört Zigarettenqualm in Tschechien in vielen Kneipen und Gaststätten noch immer zum Bier oder Schweinebraten. Denn das derzeit gültige Gesetz sieht vor, dass Gastronomen selbst entscheiden, ob in ihren Lokalen geraucht werden darf oder nicht. Ein strenges Rauchverbot war bisher in der Politik nicht mehrheitsfähig.
Am Mittwoch vergangener Woche hat nun Gesundheitsminister Svatopluk Němeček (Sozialdemokraten) einen neuen Versuch gestartet. Er legte einen Gesetzentwurf vor, demzufolge von 2016 an ein absolutes Rauchverbot in Restaurants, Cafés und Kneipen gelten soll.
Der neue Entwurf für das Gesetz „zum Schutz der Gesundheit vor Tabak, Alkohol und Drogen“ geht über den zuletzt gescheiterten Entwurf von Němečeks Amtsvorgänger Leoš Heger (TOP 09) hinaus. So sollen absolute Rauchverbote jetzt auch dort gelten, wo bisher Ausnahmen möglich waren – zum Beispiel in Diskotheken. Auch in Kinos, im Theater, in Sporthallen, Schulen und in Fahrzeugen, sowie an überdachten Bahnsteigen oder Bushaltestellen soll Rauchen verboten werden. Dieselben Regeln wie für Tabakprodukte sollen auch für elektronische und Kräuterzigaretten gelten.
Doch nicht nur vor Zigarettenqualm will der Gesundheitsminister die Bürger schützen, auch für den Umgang mit Alkohol will er strengere Regeln einführen. Gastronomen sollen deshalb verpflichtet werden, mindestens ein alkoholfreies Getränk im Angebot zu haben, das billiger ist als Bier und andere alkoholische Getränke. Darüber hinaus soll der Verkauf von Zigaretten und Alkohol in Automaten verboten werden. Falls sich in Diskotheken, Bars oder anderen Betrieben betrunkene Kinder aufhalten, könnte die Einrichtung nach dem neuen Gesetz umgehend für bis zu zwei Tage geschlossen werden. Außerdem soll ein Verkaufs- und Ausschankverbot für Alkohol in Markthallen, in gesundheitlichen Einrichtungen, Schulen sowie bei Veranstaltungen für Kinder gesetzlich verankert werden. Beim Vertrieb von Alkohol und Tabakprodukten über das Internet sollen die Betreiber ein System zur Alterserfassung einführen, damit ihre Produkte nicht in die Hände von Kindern geraten.
Fragwürdiger Spitzenplatz
Um die Regeln durchzusetzen, sollen auch die drohenden Sanktionen erhöht werden. Wer an einem Ort mit Rauchverbot das Rauchen ermöglicht, muss bisher mit maximal 10.000 Kronen Strafe rechnen, künftig sollen es bis zu fünfmal mehr sein. Wer Alkohol an Kinder verkauft, kann mit bis zu einer Million Kronen belangt werden, bisher ist es die Hälfte. Behörden wie die Lebensmittelinspektion, der Zoll und die Finanzverwaltung sollen künftig verstärkt kontrollieren, ob die Gesetze eingehalten werden.
Dem Gesundheitsministerium zufolge könnte ein Rauchverbot den Haushalt entlasten: „Falls es gelingt, den Tabakverbrauch um fünf Prozent zu senken, werden die Einnahmen des Staatshaushalts um 2,1 Milliarden Kronen geringer ausfallen“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs – aber weiter: „Für die Ressorts Gesundheit und Soziales würde das jedoch Einsparungen in Höhe von 5,5 Milliarden Kronen jährlich bringen, weil Krankenstand, Invalidität und Sterblichkeit in Folge des Gebrauchs legaler oder illegaler Drogen zurückgehen würden.“
Tschechien gibt jedes Jahr etwa 33,1 Milliarden Kronen aus, um die Folgen des Rauchens zu bekämpfen, beim Alkohol sind es rund 16,4 Milliarden Kronen. Im Durchschnitt trinkt jeder erwachsene Einwohner des Landes jährlich etwa 15 Liter reinen Alkohol. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2011 belegt Tschechien damit im internationalen Vergleich den ersten Platz – vor Andorra, Estland, Irland und Frankreich.
Rund ein Fünftel der Erwachsenen trinkt mehrmals pro Woche übermäßig viel Alkohol, so das tschechische Gesundheitsministerium. Insgesamt beziffert es die Aufwendungen für die Schäden, die durch Drogenmissbrauch verursacht werden, auf 56,2 Milliarden Kronen pro Jahr.
Einer Studie der Prager Karls-Universität zufolge wünschen sich aber fast 80 Prozent der Bürger ein Rauchverbot in Restaurants – und das, obwohl etwa 30 Prozent der Menschen hierzulande Raucher sind.
Verbot mit Vorgeschichte
Das erste Gesetz über den Schutz vor Alkoholismus und anderen Giftstoffen, das sich auch mit dem Thema Rauchen befasste, trat in der damaligen Tschechoslowakei bereits 1989 in Kraft. Damals wurde Rauchen zum Beispiel an Arbeitsplätzen verboten, an denen sich auch Nichtraucher aufhielten, und in Zügen, wo jedoch Ausnahmen für ausgewiesene Abteile galten. In Restaurants durfte nur in ausgewiesenen Bereichen geraucht werden, wo es solche nicht gab, galt ein Verbot während der Essenszeiten. 2006 trat ein neues Gesetz in Kraft. In der Praxis genügte es jedoch häufig, wenn Gastwirte in ihrem Restaurant irgendwo ein Schild mit der Aufschrift „Raum für Raucher“ anbrachten. Weitere Änderungen galten von 2009 an. Restaurantbesitzer können seitdem wählen, ob in ihren Räumen geraucht werden darf oder nicht – oder ob es zwei getrennte Bereiche gibt.
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