Ewiges Rätsel

Ewiges Rätsel

Das Museum Kampa widmet seiner Gründerin eine Hommage mit Bildern der Surrealistin Toyen

21. 10. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Bild: Museum Kampa – Nadace Jana a Medy Mládkových

 

Wer sich mit der tschechischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts beschäftigt, kommt an Toyen nicht vorbei. Die eigentümliche Künstlerin, die sich wie ein Mann inszenierte und surrealistische Bilder von ungewöhnlicher Zartheit malte, beeindruckte zahlreiche kreative Köpfe ihrer Zeit. Für den Theoretiker André Breton war sie das, was vom Geist Prags überdauern würde; für den Schriftsteller Vítězslav Nezval blieb sie ein ewiges Rätsel.

Unter dem Titel „Ich sehe, denn es ist Nacht“ („Vidím neboť je noc“) zeigt das Museum Kampa auf der Kleinseite Bilder einer Malerin, die von der tschechischen Kunstgeschichte lange ignoriert wurde. Zu sehen sind frühe Werke, die Toyen erstmals bei der Ausstellung der tschechoslowakischen Surrealistengruppe im Jahr 1934 öffentlich vorstellte, sowie Gemälde aus den vierziger bis sechziger Jahren, die sie in Paris schuf.

Die Schau ist eine Hommage des Museums an seine Mitgründerin Meda Mládková. Die Kunstsammlerin, die in diesem Jahr ihren 96. Geburtstag feierte, gehört zu den wenigen, die Toyen persönlich kannten. Einige der ausgestellten Bilder hatte Mládková von Toyen geschenkt bekommen.

Marie Čermínová – wie Toyen mit bürgerlichem Namen hieß – kam 1902 in Prag zur Welt. Über Kindheit und Jugend der Künstlerin ist wenig bekannt; sie hüllte sich gern in Schweigen; Interviews gab sie nicht. Mit 16 Jahren verließ sie ihr Elternhaus und begann in einer Seifenfabrik zu arbeiten. Während eines Urlaubs in Kroatien lernte Toyen 1922 den Maler und Schrifsteller Jindřich Štyrský kennen, mit dem sie bis zu dessen frühem Tod im Jahr 1942 eine enge Freundschaft verband. 1925 gingen beide vorübergehend nach Paris, wo sie sich den Surrealisten um Breton anschlossen.

In Prag gründeten sie mit anderen Künstlern später die Gruppe der Surrealisten der Tschechoslowakei. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog Toyen endgültig nach Paris. Bis zu ihrem Lebensende blieb sie den Surrealisten treu. Zurückgezogen verstarb die Künstlerin im Jahr 1980; in der tschechischen Presse fand ihr Tod kein Echo.

Toyens Bilder erzielen heute bei Auktionen mehrere Millionen Kronen. Ihre Werke spiegeln ein beständiges Spiel mit der Realität wider, mit Leben und Tod, Nacht und Traum, Illusion und Wirklichkeit.

Toyen – Ich sehe, denn es ist Nacht. Museum Kampa (U Sovových mlýnů 2, Prag 1), geöffnet: täglich 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 120 CZK (ermäßigt 60 CZK), bis 3. Januar, www.museumkampa.cz