Freie Fahrt
Prager Stadttunnel soll noch in diesem Jahr eröffnet werden
1. 10. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: Honza Groh
Die Bauarbeiten am längsten Stadttunnel Europas sind am Dienstag offiziell beendet worden. Für den Autoverkehr wird er voraussichtlich Anfang Dezember freigegeben. Dass das unterirdische Straßennetz im Prager Nordwesten erst in zwei Monaten genutzt werden kann, hat vor allem Sicherheitsgründe. Projektant Ludvík Šajtar rechnet pro Jahr mit bis zu 260 „außerplanmäßigen Vorkommnissen“. „Um auf Unfälle und Brände ausreichend vorbereitet zu sein, müssen wir sämtliche Szenarien durchspielen“, sagt Šajtar. Bei einem dieser Tests in der vergangenen Woche kollidierte ein voll besetzter Reisebus mit zwei in Brand geratenen Pkw. An der Übung mit etwa 50 Statisten nahmen auch Feuerwehrleute, Polizisten und Sanitäter teil.
Wer die Bauarbeiten am Tunnel verfolgt hat, wird den für die Sicherheitstests festgelegten Zeitraum wahrscheinlich als kurz empfinden. Denn ursprünglich sollte das nach dem tschechischen Frauennamen Blanka benannte Projekt bereits vor drei Jahren abgeschlossen werden. Falsche Berechnungen, Erdrutsche, polizeiliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Wettbewerbsverzerrung und Veruntreuung öffentlicher Gelder – die Liste der Gründe, warum sich die Fertigstellung immer wieder verzögerte, ist lang. Ende vergangenen Jahres hatte ein Streit zwischen dem Unternehmen Metrostav und der Stadt Prag die im Sommer 2007 begonnenen Bauarbeiten zum Erliegen gebracht. Fünf Monate lang war auf der Baustelle kein Handschlag gerührt worden. Die Baufirma argumentierte, der Magistrat habe offene Rechnungen nicht beglichen, der Auftraggeber behauptete sogar, der Vertrag mit Metrostav sei aufgrund juristischer Fehler ungültig. Nachdem das Schiedsgericht der Tschechischen Wirtschaftskammer im April dieses Jahres die Fortsetzung der Bauarbeiten angeordnet hatte, wurde in der vergangenen Woche das endgültige Urteil gesprochen: Die Stadt muss sämtliche Schulden begleichen, insgesamt 5 Milliarden Kronen (umgerechnet etwa 182 Millionen Euro).
Teure Baustelle
Das Blanka-Projekt kommt der Stadt nicht nur wegen dieser Nachzahlung teuer zu stehen. Die ehemalige Regierung um Oberbürgermeister Pavel Bém (ODS) hatte die Gesamtkosten bei Baubeginn noch auf 21 Milliarden Kronen veranschlagt. Sieben Jahre später hat sich diese Rechnung auf rund 37 Milliarden Kronen (etwa 1,3 Milliarden Euro) erhöht, sie fällt also 57 Prozent höher aus als ursprünglich geplant. Angeblich hätte schon damals klar sein müssen, dass die Kosten für den längsten Tunnelbau in Tschechien deutlich höher ausfallen würden – zumindest behauptet das die amtierende Stadtregierung. Der stellvertretende Oberbürgermeister Jiří Nouza (TOP 09) geht sogar davon aus, die damalige Regierung habe die tatsächlichen Kosten bewusst verheimlicht, aus Rücksicht auf die eigenen Wähler.
Eine Teilschuld an der Kostenexplosion trägt auch die jetzige Stadtführung. Wegen des Rechtsstreits mit Metrostav und der stillgelegten Baustelle entstanden zusätzliche Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe. Für den Vize-Bürgermeister spielte das am Dienstag nur eine untergeordnete Rolle. „Ich bin überaus glücklich, dass ich den Pragern nach all den Querelen endlich das Datum nennen kann, an dem Blanka in Betrieb gehen wird“, sagte Nouza gegenüber der Nachrichtenagentur ČTK. Der knapp sechs Kilometer lange Tunnel, der vom Strahov-Tunnel über Dejvice bis zur neuen Moldaubrücke im Stadtteil Troja führt, soll am 2. Dezember – dem Namenstag Blankas – vollständig für den Verkehr freigegeben werden.
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