Für jedes Alter
Tschechisches und slowakisches Puppenspiel gehören zum immateriellen Kulturerbe der Unesco
8. 12. 2016 - Text: Franziska Neudert
Belgisches Bier und koreanisches Kimchi gehören auf den ersten Blick eher auf eine Speisekarte als auf die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes. Das fermentierte Getränk und das aufwendig eingelegte Gemüse zählt die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur seit der vergangenen Woche zu den schützenswerten Traditionen der Menschheit. Gemeinsam mit 15 weiteren Bräuchen schafften es auch das tschechische und slowakische Puppenspiel auf die Liste. Nicht nur für den vorlauten Hurvínek, der die Geduld seines hölzernen Vaters Spejbl seit 90 Jahren auf die Probe stellt, ein Grund zum Feiern.
„Ich schätze die Bemühungen der tschechischen und slowakischen Kollegen und ihre hervorragende Arbeit an einer gemeinsamen Nominierung des Phänomens Puppenspiel. Glücklicherweise kann es nicht altern, da es Kindern und Erwachsenen Freude bringt und unser Leben von klein auf bis ins hohe Alter begleitet“, gratulierte Tschechiens Kulturminister Daniel Herman (KDU-ČSL).
Theater für die Unterschicht
Die Wurzeln des Puppenspiels reichen bis ins Mittelalter zurück, größere Bedeutung erlangte es zur Zeit der nationalen Wiedergeburt im 19. Jahrhundert. So kamen auch die unteren Schichten in Kontakt mit der Theaterkultur, zugleich vermittelten die Stücke in einer klaren und einfachen Sprache die Ideen der Aufklärung. Später entstanden zahlreiche Familientheater. Die Kunst des Puppenspiels gaben sie von Generation zu Generation weiter.
Die weltweit erste Puppenspielervereinigung UNIMA wurde 1929 in Prag gegründet. 1951 ins Leben gerufen, findet das älteste Puppenspielerfestival der Welt jährlich im ostböhmischen Chrudim statt. Internationale Berühmtheit erlangte das Marionettenspiel, als Josef Skupas Hurvínek und Spejbl die Bühne betraten. Derzeit lassen hierzulande neun professionelle Theater ihre Puppen tanzen, es gibt etwa hundert unabhängige Ensembles und rund 300 Amateurspieler.
Tschechien ist auf dem Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes mit vier weiteren Bräuchen vertreten: dem traditionellen Männertanz „verbuňk“ aus der Mährischen Slowakei, den dörflichen Faschingsumzügen in der Region Hlinecko, dem folkloristischen „Ritt der Könige“ und der Falknerei.
Über insgesamt 37 Anträge entschied das Gremium der Unesco in der vergangenen Woche im äthiopischen Addis Abeba. Die Wahl fiel in diesem Jahr unter anderem auf das persische Neujahrsfest, den portugiesischen Musikstil Fado, den Fastnachtsbrauch im österreichischen Imst und das Drachenbootfest in China. Mit der Idee der Genossenschaft und der Falknerei landeten auch zwei Beiträge aus Deutschland auf der Liste.
Seit 2003 würdigt die Unesco kulturelle Ausdrucksformen, die auf menschlicher Kreativität beruhen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Derzeit umfasst die Liste 366 Kulturformen aus aller Welt.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?