Funkenflug am Pulverfass
Unrentabler Kohlebergbau in Nordmähren nährt Sorge vor sozialem Flächenbrand
25. 9. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: ČTK/Drahoslav Ramík
Das nordmährische Kohlerevier ist zwar weit von Prag entfernt, soziale Entwicklungen der strukturschwachen Region werden in der Hauptstadt aber besonders sensibel wahrgenommen. So hatte in der vergangenen Woche die Ankündigung des Bergbauunternehmens OKD, den Schacht Paskov Ende 2014 wegen Unrentabilität zu schließen, nicht nur wütende Proteste der betroffenen Bergleute zur Folge. Auch das politische Prag verfiel in ungewohnte Umtriebigkeit – es wurde beraten, verhandelt, empfohlen, vermittelt, und zwar auf allerhöchster Ebene. Aus gutem Grund: Die Region Ostrava gilt mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit als soziales Pulverfass. Jede weitere Erschütterung, so die Befürchtung der Prager Politiker, könnte zu einem sozialen Flächenbrand führen.
Den befürchten vor allem die Gewerkschaften. Zwar würde die Schließung von Paskov nach OKD-Angaben unmittelbar „maximal 1.200 bis 1.400“ Bergleute betreffen. Man müsse jedoch, so Jan Sábel, Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau, auch alle Zulieferbetriebe und anderweitig verknüpfte Unternehmen berücksichtigen: „Sollte der Schacht tatsächlich geschlossen werden, kann das Auswirkungen auf bis zu 10.000 Arbeitnehmer in der Region haben“, so der Gewerkschaftschef. Kämen auch die beiden anderen großen Arbeitgeber der Region, die Stahlwerke Mittal und Evraz, ins Straucheln – was derzeit niemand ausschließen mag –, gehen Regierungsszenarien von über 70.000 Entlassungen aus.
Zuschüsse ausgeschlossen
Für die Prager Politiker ist das ein Horrorszenario, das es möglichst zu vermeiden gilt. Dementsprechend nachdrücklich fielen die Appelle an die Verantwortung des Unternehmens aus. Dieses solle nun, so ein speziell zusammengekommenes Beratergremium des Staatspräsidenten, „vorher verdiente Mittel in die Stabilisierung investieren“. Von staatlicher Seite wünscht man sich eine Förderung bis mindestens 2016. Übergangspremier Jiří Rusnok, der am Samstag mit Präsident Miloš Zeman und Gewerkschaftsvertretern fünf Stunden lang die Angelegenheit beraten hatte, hält dies für möglich: „Wenn sie (die OKD-Verantwortlichen, Anm. d. Red.) sich der Sache wie Gentlemen stellen, dann zweifele ich nicht daran, dass das möglich wäre“, appellierte der Regierungschef auch an die Ehre der Unternehmensverantwortlichen. Staatliche Zuschüsse oder gar einen Erwerb der Förderanlage schloss er jedoch aus. Man könne von der Regierung nicht erwarten „verschuldete Industriebetriebe zu retten“, so Rusnok.
Für die OKD stellen Staatshilfen hingegen die einzige Möglichkeit dar, den Schachtbetrieb über 2014 hinaus aufrechtzuerhalten. OKD-Chef Ján Fabián sprach in diesem Zusammenhang von einer Summe zwischen vier und sechs Milliarden Kronen (etwa 160 bis 240 Millionen Euro), die nötig wäre, um die Anlage bis 2018 zu betreiben. Nachdem dies von staatlicher Seite abgelehnt wird, bekräftigte Fabián am Sonntag im Tschechischen Fernsehen die Schließungspläne: „Wir können nicht etwas aufrechterhalten, was Verluste macht“.
Kein Kommentar
Und diese Verluste sind massiv: Jährlich macht Paskov rund 60 Millionen Euro Miese, weil der Abbau zu aufwendig ist. 4.300 Kronen kostet das Unternehmen die Förderung einer Tonne Kohle. Der durchschnittliche Marktpreis beträgt dabei 2.570 Kronen. „Niemand wäre in der Lage diesen Schacht rentabel zu betreiben“, so Unternehmenschef Fabián.
Einen originellen Lösungsvorschlag machte Präsident Zeman nach einem Treffen von Unternehmensvertretern, Gewerkschaften und Politikern am Dienstag auf der Prager Burg: Ein Weiterbetrieb der Grube Paskov könnte durch den Verkauf der rund 44.000 ehemaligen OKD-Werkswohnungen an den Mährisch-Schlesischen Kreis finanziert werden – 1,2 Milliarden Kronen würde das einbringen. Der Wohnungsfonds gehört heute zum Firmenimperium des Milliardärs Zdeněk Bakala, der wiederum Mehrheitseigner der OKD-Muttergesellschaft NWR ist. Das Bergbauunternehmen reagierte auf den Vorschlag äußerst kühl und zog gleichzeitig Zemans Zuständigkeit in Zweifel: „Erlauben Sie uns, dass wir die Aussage des Herrn Präsidenten nicht kommentieren. Das Unternehmen geht davon aus, dass die zukünftigen Verhandlungspartner der Premier und die zuständigen Minister sind“, so OKD-Sprecher Marek Síbrt.
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