Ganz langsam werden die Weichen gestellt
Schnellere Zugverbindungen zwischen Bayern und Böhmen soll es erst in einigen Jahren geben
15. 4. 2015 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Ezio Hsu
Wer im Prager Hauptbahnhof um 5.14 Uhr in den Eurocity „Karel Čapek“ steigt, kann ihn in München erst wieder um 11.18 Uhr verlassen. „Indiskutabel“ nannte das der bayerische Ministerpräsident vor kurzem in einem Interview mit der „Prager Zeitung“. Dementsprechend räumte Horst Seehofer einer besseren Bahnverbindung mit Tschechien „höchste Priorität“ ein.
Denn Reisende brauchen nicht nur Geduld, wenn sie zwischen Bayern und Böhmen mit einem Zug fahren wollen. Zuweilen kommen sie auch überhaupt nicht ans Ziel – wie auf der Nahverkehrsstrecke zwischen Hof und Cheb (Eger). Sie wurde zwar schon vor 150 Jahren in Betrieb genommen, doch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren gibt es dort keinen Personenverkehr mehr.
„Wir sind uns einig, dass wir beim Ausbau der Bahninfrastruktur dringend schneller vorankommen müssen“, erklärte Seehofers Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei einem Besuch in Prag, „denn seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor einem Vierteljahrhundert konnten bisher nur kleine Maßnahmen realisiert werden.“
Nun stellten Herrmann und der tschechische Verkehrsminister Dan Ťok (parteilos) wesentliche Weichen, um den Bahnverkehr zwischen den Ländern endlich zu verbessern. Trotzdem wird es noch Jahre brauchen, bis schnellere Zugverbindungen bestehen. Erst ab 2025 wird die Fahrt zwischen Prag und München wohl nicht mehr sechs, sondern nur noch vier Stunden dauern.
Auf bayerischer Seite werden jetzt zumindest die Planungen für eine Elektrifizierung der beiden Hauptachsen beschleunigt. Dies betrifft die Abschnitte von Nürnberg bis Schirnding und von Regensburg bis Furth im Wald, von denen Verbindungen weiter nach Tschechien führen.
Erstmals Landesmittel
Für die Regensburger Strecke gab der Bayerische Landtag erstmals Mittel von sechs Millionen Euro frei. „Uns sind Verbesserungen der Bahnverbindungen zwischen Bayern und Böhmen so wichtig, dass wir nunmehr auch Landesmittel einsetzen, obwohl in Deutschland der Bund für die Schieneninfrastruktur zuständig ist“, stellte Herrmann heraus.
Zudem erwartet er EU-Zuschüsse in gleicher Höhe. Im Februar stellte Bayern einen entsprechenden Förderantrag bei der EU-Kommission, die häufig grenzüberschreitende Maßnahmen fördert. Allerdings wird sie erst im Spätsommer darüber entscheiden.
Läuft alles glatt, sollen die Vorplanungen bis 2017 abgeschlossen sein. Danach wird der Bund entscheiden, wie dringlich diese Strecke ist. So werden die Bauarbeiten von Regensburg zur Grenze wohl erst 2020 beginnen. Damit würde auch eine Forderung der heimischen Wirtschaft erfüllt, die schon lange bessere Bahnverbindungen zwischen der Oberpfalz und Böhmen wünscht.
Vorplanungen gibt es zudem für die Strecke zwischen Marktredwitz und Nürnberg. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gab dafür grünes Licht, der Bund hat mit der DB Netz AG eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Für den Abschnitt von Hof bis zur Grenze bei Schirnding wurden sie bereits durchgeführt. „Der Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale ist für Bayern sowohl mit Blickrichtung auf Sachsen als auch auf Tschechien von sehr hoher Bedeutung“, so Herrmann.
Aus seinem Ministerium verlautete, dass Tschechien im Gegensatz zu Bayern bereits seine Hausaufgaben bezüglich besserer Zugverbindungen gemacht hätte. So seien die Strecken von Furth im Wald nach Prag, von Cheb nach Prag und auch von Bayerisch Eisenstein nach Pilsen gut ausgebaut. Außerdem sei auf tschechischer Seite die Planung für Oberleitungen zwischen Pilsen und Grenze weiter fortgeschritten als auf deutscher Seite.
Zehn Minuten weniger
Tatsächlich informierte Verkehrsminister Ťok darüber, dass auf tschechischer Seite gerade der Abschnitt zwischen Prag und Pilsen modernisiert wird. Nach Abschluss der Bauarbeiten am Eisenbahnknoten Pilsen und der Fertigstellung des Tunnels Ejpovice werde sich die Fahrzeit auf dieser Strecke um bis zu zehn Minuten verkürzen.
„In den weiteren Jahren rechnen wir auch mit der Elektrifizierung des Abschnitts von Pilsen über Domažlice nach Furth im Wald“, so der tschechische Minister, „Ziel ist eine hochwertige Bahnverbindung zwischen Prag und München, die mit dem Straßenverkehr konkurrieren kann.“
Bayern will Herrmanns Ausführungen zufolge alles daran setzen, die beiden Hauptachsen nach Tschechien sowie den Ausbau der Bahnstrecken zwischen Regensburg und Hof und zwischen Nürnberg und Schwandorf im kommenden Bundesverkehrswegeplan zu verankern. Von solch einem zukunftsträchtiges Schienennetz würden nicht nur die Regionen entlang der Strecken profitieren, sondern ganz Europa.
Lückenschluss bis Aš
Zudem plant der Freistaat neben Schirnding, Furth im Wald und Bayerisch Eisenstein eine weitere grenzüberschreitenden Strecke bei Selb. Sie ist auf bayerischer Seite seit den neunziger Jahren unterbrochen. Im September 1996 wurde der Streckenabschnitt Selb–Plößberg zur tschechischen Grenze sogar offiziell stillgelegt. 2011 hatte es in Selb einen Bürgerentscheid gegeben, damit sich die Gemeinde an den Kosten für die Reaktivierung der Strecke beteiligen kann.
Für den Lückenschluss zwischen dem oberfränkischen Selb und dem tschechischen Aš (Asch) haben Arbeiten in Tschechien vor einigen Wochen begonnen. Bayern will demnächst folgen.
Als Ende Februar nach langen Verhandlungen die Finanzierungspläne unterzeichnet wurden, nannte Hofs Oberbürgermeister Harald Fichtner (CSU) die neue Verbindung einen Meilenstein für den grenzüberschreitenden Nahverkehr und ebenso für den gesamten Bahnverkehr in Oberfranken.
Der Oberbürgermeister von Selb Ulrich Pötzsch (Aktive Bürger) hoffte darauf, dass neben Pendlern auch Bädertouristen auf dem Weg nach Tschechien in seiner Stadt Station machen. Zudem könnten Unternehmer dadurch möglicherweise mehr Güter mit der Bahn statt auf der Straße transportieren, wodurch der Grenzverkehr entlastet werde.
Sobald die Strecke fertig ist, sollen Fahrgäste in weniger als einer Stunde direkt von Hof in die Partnerstadt Cheb reisen können. Anfangs werden täglich etwa acht bis neun Züge fahren, später soll es gar einen Zugverkehr im Stundentakt geben. Bis dahin müssen auf deutscher Seite noch Brücken saniert und Schienen erneuert werden.
Im Juni wird entschieden, welches Bahnunternehmen auf der Strecke verkehren wird. Möglicherweise rollen die ersten Nahverkehrszüge wieder im Dezember über die Grenze. Die Gesamtkosten für das Projekt Selb–Aš bezifferte das Ministerium für beide Länder auf insgesamt 20 Millionen Euro.
Direkt nach Karlovy Vary
Die Minister vereinbarten außerdem, dass es für Reisende von Nürnberg nach Karlovy Vary (Karlsbad) mit dem Fahrplanwechsel im Dezember einen unmittelbaren Anschluss gibt. Bisher müssen sie rund eine Stunde am Bahnhof in Cheb auf den nächsten Zug warten. „Damit wird das wichtige Reiseziel Karlsbad von Nordbayern aus deutlich besser mit dem Zug erreichbar sein“, erklärte Herrmann.
Wer nicht nach Westböhmen sondern nach Prag reisen will, erreicht die Hauptstadt künftig auch mit dem Auto schneller. Zumindest von Passau aus, denn Verkehrsminister Ťok sagte gleichzeitig den Ausbau dieser Straße auf tschechischer Seite zu.
Nicht die einzige Fahrbahn zwischen beiden Ländern, die verbessert werden soll. Schließlich bleibt die Straße noch über Jahre hinaus der wichtigste Verkehrsweg zwischen den Nachbarländern – trotz aller nun beschlossenen Fortschritte auf der Schiene.
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