Ganz ohne Müll

Ganz ohne Müll

Wer ein bisschen Zeit und eine Tupperdose mitbringt, kann im „Bezobalu“ in Vinohrady verpackungslos einkaufen

2. 7. 2015 - Text: Jana WagnerText und Foto: Jana Wagner

 

Was für unsere Großeltern nicht besonders innovativ klingen dürfte, hat heute den Reiz des Außergewöhnlichen: einkaufen ohne zugleich eine Unmenge an Plastik-Müll mitzuerwerben und anschließend wegzuwerfen. Möglich ist das seit Beginn des Jahres im ersten verpackungsfreien Lebensmittelgeschäft Tschechiens, dem „Bezobalu“ („ohne Verpackung“) im Stadtteil Vinohrady.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist einleuchtend – entsorgt der durchschnittliche Europäer laut Eurostat doch 481 Kilogramm Müll jährlich. Allerdings ist der Einkauf auch umständlicher als der gewohnte Gang zum Supermarkt. Die Kunden müssen Gläser, Tupperdosen und Tüten selbst mitbringen. Auf das Gramm genau können sie bestimmen, wie viel Mehl, Reis, Nüsse oder Rosinen sie möchten. Hauptsächlich finden sich Bioprodukte im Sortiment.

Dass es zumindest einen Nischenmarkt gibt für Verbraucher, die diesen Aufwand gerne in Kauf nehmen, zeigt eine Reihe verpackungsfreier Lebensmittelläden, die angestoßen vom Londoner Vorreiter „Unpackaged“ in den letzten Jahren in vielen europäischen Großstädten ihre Türen geöffnet haben. In Berlin sorgte 2014 die Eröffnung von „Original Unverpackt“ in Kreuzberg für viel Aufmerksamkeit, nicht zuletzt dank des geschickten Marketings der beiden Gründerinnen, die mit schickem Design den Nerv konsum- und trendbewusster Großstädter trafen.

Das „Bezobalu“ ist dagegen ein eher unaufgeregter und gemütlicher Laden. Wer ihn betreten möchte, muss zunächst klingeln und dann einen Hinterhof durchqueren. Das Geschäft besteht aus einem kleinen Raum mit einer Theke und Holzregalen voller Konservengläser. Das Angebot ist überschaubar: Neben Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Reis, Couscous und dem beliebten Inkareis Quinoa gibt es beispielsweise getrocknete Früchte, Soja, Kichererbsen und Bohnen. Am Einkauf im „Bez­obalu“ dürften sich besonders Vegetarier und Veganer erfreuen, die sich hier mit einer Basis für die fleischlose Küche eindecken können. Flüssige Nahrungsmittel wie Milch, Säfte oder Öle sind noch nicht im Angebot.

Und noch etwas anderes fehlt. Im „Bezobalu“ gibt es keine Werbung und keine Markenzeichen. Stattdessen liegen Bücher zu ausgewogener Ernährung und Kinderspielzeug bereit, vielleicht auch, um die Wartezeit zu überbrücken, die entstehen kann, wenn die Einkäufe der Vorgänger abgewogen werden. Wer nicht lange anstehen möchte, kann seinen Einkaufszettel auch abgeben, andere Besorgungen machen und später wiederkommen. Ein Selbstbedienungssystem wie zum Beispiel im Berliner „Original Unverpackt“ gibt es nicht.

„Wir wollen keinen Supermarkt, was den Leuten fehlt, ist der zwischenmenschliche Kontakt“, sagt Ladenmitbegründer Petr Hanzel über das „Bezobalu“. Ihm ist es wichtig, jeden einzelnen Kunden persönlich zu beraten. Entsprechend seiner Philosophie kann jeder im Laden mithelfen und dafür vergünstigt einkaufen.

Aber auch für alle, die sich nicht als Aushilfskraft engagieren wollen, liegen die Preise, gerade der Grundnahrungsmittel, eher auf unterem Bioladenniveau: Das Kilo Weizenmehl kostet 27 Kronen, ein Kilogramm Basmati-Reis gibt es für 95 Kronen. 500 Gramm rote Linsen sind für 40 Kronen und 300 Gramm Erdnüsse für 45 Kronen zu haben. Das Konzept scheint aufzugehen: Zumindest zur Feierabendzeit ist der kleine Laden gut gefüllt, per Inserat sucht das Team bereits nach mehr helfenden Händen.

Bezobalu (Bělehradská 96, Prag 2), geöffnet: Mo.–Fr. 15 bis 19 Uhr, Informationen unter www.bezobalu.org

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